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HipHop, Michael Jackson und die Lage der Welt

Es gibt wohl kaum eine Tanzart, mit der ich mich noch nicht beschäftigt habe.  Ich liebe die  Bewegung im Rhythmus der Musik, die es mir ermöglicht, in den Augenblick – in die Gegenwart – einzutauchen.  

Wie ihr vielleicht schon wisst,  tanze ich orientalisch und habe in den letzten Jahren  mein Repertoire durch afrikanische Bewegungen erweitert.  Ab Mitte September werde ich übrigens bei der VHS Hannover einen “Afrikanischen Tanzkurs” anbieten und ich freue mich, wenn ihr vorbeikommt.  Aber ich schweife ab,  möchte ich euch doch etwas ganz anderes erzählen.

Ich habe heute nämlich herausfinden dürfen, warum mir HipHop – der Tanz, die Musik, einfach alles – schon seit zwanzig Jahren  (damals hieß es noch Rap) so dermaßen “gegen den Strich” geht und dies erstaunlicherweise, obwohl die Ursprünge des HipHops – wie jeder weiß –  ja eben in  den afrikanischen Tanzbewegungen liegen, die ich so gerne selbst  tanze.

Den entscheidenden Hinweis habe ich  in einem heutigen TAZ-Artikel gefunden. Überschrift: “Beängstigende Männerwelt”.  Darin geht es – der wievielte Artikel ist es eigentlich, den ich schon zum Thema gelesen habe? – um Michael Jackson, der sich – laut Autor Klaus Walter – über natürliche und gesellschaftliche Grenzen hinwegsetzte.

Walter schreibt u.a.: 

Künstlerisch korrespondiert Jacksons Weigerung, ein Mann zu werden, mit seiner Unfähigkeit, das seit den frühen Neunzigern dominante Pop-Zeichensystem HipHop in seine Musik zu integrieren. Noch so ein Dilemma, das er mit seinem ewigen Antipoden Prince teilt. Beide waren Repräsentanten einer androgynen Pop-Ära, in der, so das Versprechen, auch die Hautfarbe kein Problem sein sollte. Als diese Versprechen nicht eingehalten werden, setzt eine massive Remaskulinisierung ein. HipHop wird der Soundtrack zum alltäglichen Überlebenskampf, der muskulös aufgerüstete Ego-Fighter zum Rollenmodell. Gegen den Körperpanzer von Rappern wie 50 Cent ist der entblößte Oberkörper von Prince eine Hühnerbrust.  Und Michael Jackson schrumpft sich zu Tode.  Dass jetzt HipHop-Granden wie Sean “P. Diddy” Combs und Def-Jam-Gründer Russell Simmons besonders laut “Er war einer von uns” rufen, ist eine weitere Ironie der Geschichte.

“Remaskulinisierung” ist das Stichwort, das für mich verdeutlicht, was mich am HipHop schon immer abgestoßen hat und was mir in einer Zeit, wo ein globales Wahnsinns-Wachstums die ökologischen Ressourcen  unseres Mutter-Planeten in unverantwortlicher Art und Weise verspielt,  seltsam antiquarisch vorkommt. Und wenn im HipHop-Musikclip goldkettchenbehangene Zuhältergestalten in Szene gesetzt  und weibliche Lebenswelten nur im sexualisierten Objektcharakter bedient werden, wenn die Ethik aus der Verherrlichung von Battle-Gewalt und Gangster-Gehabe besteht und wenn dann selbst die deutschen Schulen  unreflektiert “HipHop”-Projekte anbieten, dann frage ich mich, ob nicht endlich-endlich die Zeit gekommen ist, für die weicheren, weiblicheren Botschaften in der Musik, im Film und überhaupt.  Ich habe Angst vor einer Jugend, die mit diesen hyper-maskulinen Bildern aufgewachsen ist und die gleichzeitig mehr und mehr Verantwortung für eine Welt tragen wird,  die im ersten Schritt mehr feminine Anteile braucht, um im nächsten Schritt den Ausgleich zwischen maskulinen und femininen Welten  zu erschaffen. Dies wiederum wird nicht nur eine bessere Welt (was immer das sein mag), sondern auch  Identitäten jenseits einer vorgegebenen Geschlechtlichkeit ermöglichen.  Und da kann dann auch – um meinen Argumentationskreis  zu schließen – Michael Jackson eine Vorreiterrolle spielen. (Beachtet bitte hier das Präsens!)

httpv://www.youtube.com/watch?v=4FZcAzZOyOg

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