7. Mai 2024

Tanz im Neofeudalismus! Ein Abgesang auf den Tribal-Tanz

Letztes Wochenende bekam ich Besuch von einer Freundin, die leider nicht nur wegen mir (vorwurfsvoll guck), sondern auch wegen des Tribel-Dance-Festivals angereist war.

Ich selbst kam auf diese Art und Weise dann auch in den Genuss der Tribal-Samstagabend-Show, in der es zwar viele (zu viele?) tolle Darbietungen gab, woraus ich aber fĂŒr mich die Schlussfolgerung gezogen hatte, dass ich dieser Art der Zurschaustellung in Zukunft weder Abend noch Geld opfern werde.

Warum? Nun, wenn ich den Ă€ußeren Rahmen außer Acht lasse (der – dies sei hier erwĂ€hnt – darin bestand, dass die Zuschauerinnen viel Eintritt bezahlen mussten, um dann letztendlich auf harten StĂŒhlen zu sitzen, die kaum eine Sicht auf die BĂŒhne zuließen) bleibt als mein ResĂŒmee ĂŒbrig, dass es viele perfekt ausgefĂŒhrte TĂ€nze gab, die sich jedoch – das lag wohl an ihrer endlosen Reihung  – stĂ€ndig wiederholten und letztendlich bei mir, die ich selbst nicht Tribal tanze und deshalb wohl auch nicht die nötige (sic!) Begeisterung mitbringe, nichts weiter ergab, als einen hirnlosen Brei aus persönlichem Exhibitionismus, Phantasialand-Unterhaltung und akrobatischen Einlagen (schneller-höher-weiter-anders -gĂ€hn!)

Wo bei der Tribal-Szene vor zwei Jahren (da kam ich erstmalig in dem zweifelhaften Genuss dieser Show!) noch die sexistisch eingefĂ€rbten Striptease-VorfĂŒhrungen (die sich als “Burlesque” oder als “dark fusion” tarnten) ĂŒberwogen, da hat die Tribal-Szene mittlerweile anscheinend das Mainstream-Tanztheater erreicht, das nur dem oberflĂ€chlichen Kommerz untergeordnet ist. Und – Ă€hnlich wie beim Besuch einer Musical-VorfĂŒhrung in den großen Unterhaltungs-PalĂ€sten oder wie beim Konsumieren der Samstagabendshow – fĂŒhle ich mich als Zuschauerin hinterher gleichsam “ĂŒbersĂ€ttigt” wie auch “leer”.

Hier findet sich – bis auf wenige Ausnahmen – weder Inhalt, noch Seele. Und die ZuschauerInnen mĂŒssen sich dann sagen: “Das kann es doch nicht gewesen sein!’, und hetzen zur nĂ€chsten Show, die in neuer Verkleidung dasselbe Nichts prĂ€sentieren wird.

Zu meiner Beobachtung passt dann auch, dass es auf solchen Veranstaltungen – Dieter Bohlen sei gegrĂŒĂŸt – immer auch einen “Contest” geben muss, der – ganz kapitalistisch-auswĂ€hlend -einige hervorhebt, um andere klammheimlich herabzuwĂŒrdigen. Das “Diplom”, das dann allen Beteiligten (seien sie nun Show-TĂ€nzerInnen oder Workshop-BesucherInnen) im Anschluss an diese – immerhin dreitĂ€gige  -Veranstaltung  ausgehĂ€ndigt wurde, ist ein weiterer Fetisch, der unreflektiert den schnöden Marktgesetzen untergeordnet ist.

Tribal – das war ja mal im Ursprung ein Gemeinschaftstanz von Frauen, bei dem  die TĂ€nzerinnen mit versteinerten Gesichtern die gleichen Tanzfiguren ausfĂŒhrten. Man mag es lieben oder nicht (ich tue es nicht), hervorgegangen jedenfalls ist diese Tanzform aus Bauchtanzbewegungen, die von der Frauenbewegung der 80er Jahre zur Kreation von egalitĂ€ren HalbkreistĂ€nzen genutzt wurden. Als solche war Tribal niemals fĂŒr BĂŒhnenvorfĂŒhrungen geeignet und es wĂ€re wohl auch besser gewesen, es hierbei bewenden zu lassen und ihn allenfalls beim Frauen- oder Mittelalterfest (oder Ă€hnlichen Veranstaltungen!) zur AuffĂŒhrung zu bringen, immer umrahmt von anderen (sic!) Programmpunkten.

Diese Art von Tribal-Tanz wird wohl, das ist die gute Nachricht, als ein Tanz fĂŒr eine Minderheit von Frauen, die sich in “StĂ€mmen” organisiert und auf diese Art und Weise ihrer Tanzlust frönt und sich mit weiblicher StĂ€rke verbindet, erhalten bleiben. Das ist gut so.

Tribal Fusion (und all die anderen “Ableger” dieser Tanzform) reihen sich dagegen mit ihrem “Pops and Locks” freiwillig und selbstgewĂ€hlt in die kalte Unterhaltungsmaschinerie ein und werden  – das ist ja die PerfiditĂ€t des Kapitalismus – darin ganz aufgelöst werden. Ist es HipHop oder Tribal, tĂŒrkische Folklore oder StummfilmĂ€sthetik? Showtanz eben.
Alles verschwimmt, genauso wie die dazugehörige Musik, elektrisch konzipiert, ein Klangteppich, austauschbar und “tot”.

Auch das ist gut so:

R.I.P. Tribal Fusion

Ein Gedanke zu “Tanz im Neofeudalismus! Ein Abgesang auf den Tribal-Tanz

  1. Einfach super, Deine Ansicht. HĂ€tte mich nie getraut, das so wortgewandt auf den Punkt zu bringen.

Ein Blog lebt auch von Ihren Kommentaren!

Entdecke mehr von mamiwata

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen