5. Mai 2024

Herbstliche Waldimpressionen am Benther Berg und in Bad Nenndorf

Da hatte ich am 31.12 zu Samhain eine mythologische Wanderung geplant, die einer gewissen Ritualdramatik folgen sollte, die dann aber doch anders verlief als erwartet.

Es fing schon damit an, dass ich eine Stunde zu früh startete, weil ich die leidige Zeitumstellung verdrängt hatte. Das wäre nicht allzu schlimm gewesen, wenn ich dadurch nicht in eine furchtbare Polizeikontrolle geraten wäre, die wohl nur dazu diente, die übermotivierte junge Polizistin ihre neu gelernten Fähigkeiten anwenden zu lassen. Meine Freundin jedenfalls sagte mir im Nachgang, dass das wohl eine Azubi-Kontrolle gewesen sein dürfte, was dann auch erklären dürfte, warum ich sehr zu meinem Leidwesen, vollkommen nüchtern, nicht nur einen Alkoholtest, sondern auch eine entwürdigende Urinprobe habe abgeben müssen.

Benther Berg

So hatte ich dann schon am frühen Morgen meinen ganz persönlichen Abyss erreicht. Diese Erfahrung hatte ich eigentlich für die Benther Bergterassen vorgesehen, ein ehemaliges Ausflugslokal mit dem ich noch früheste Kindheitserinnerungen verband und die jetzt dem Verfall preisgegeben sind. Es ist ein verlorener Ort, der mir aber überhaupt nicht so düster vorkam, wie ursprünglich von mir erwartet. Die Natur hatte die Ruinen überwachsen lassen und es ergaben sich wunderbarste visuelle Dialoge zwischen alten Gemäuerresten und den bunten herbstlichen Blätterwald.

Es war spürbar, dass der Benther Berg ein alter Kraftort ist. Besonders am frühen Morgen, wenn es nur wenige Spaziergänger gibt und auch die lästigen Mountainbiker noch nicht ihr Unwesen treiben, lohnt es sich, den Energien nachzuspüren. Gerade um Samhain herum sind die Pforten zur Anderswelt ja bekanntlich durchlässiger als zu anderen Zeiten.

Der Benther Berg ist ca. 3,5 km lang und erstreckt sich über 100 m. Auf dem Berg befindet sich ein Gräberfeld mit bronzezeitlichen Hügelgräbern, die als solche kaum erkennbar sind. Immerhin dokumentiert ein beschmiertes Schild, dass es sich um einen ehemals spirituellen Ort handelt, der durchaus auch heute noch seine Kraft entfaltet und vielleicht ja auch bis zu den Benther Bergterrassen hin ausstrahlt.

Impressionen von den Benther Bergterrassen

So sahen die Benther Bergterrassen um 1900 aus. Hervorgegangen ist die Waldgaststätte beim Dorf Benthe aus einen Getränkestand im 18. Jahrhundert, der die hannoversche Fürstengesellschaft beim Picknick mit Erfrischungen versorgt hat.

Die detaillierte Geschichte der Benther Bergterrassen, bis zum Brand im Jahre 1975, lässt sich hier nachlesen: Klick!

anonymous photographer, CC BY-SA 3.0 //creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Die Bad Nenndorfer Kraterquelle und der “kleine Krater”

Nach dem Fotospaziergang und mit der Verbindung mit den Energien von Vergänglichkeit, Tod und Wiedererwachen ging es für meine Freundin und ich mit dem Auto nach Bad Nenndorf.

Wir parkten an der Landgrafentherme und starteten eine kleine Wanderung, die leider auch – aufgrund von forstwirtschaftlichen Arbeiten – anders verlaufen musste als ursprünglich von mir geplant. So jedoch konnten wir die Katerquelle und den “kleinen Krater” in die Tour integrieren, anstatt – wie eigentlich angedacht – diese im Nachgang zu unsererer Wanderung mit dem Auto anzufahren.

Wir beendeten unsere Wanderung, die durch den Kurpark mit seiner beeindruckenden Süntelbuchenallee, die hübsche Bubikopfallee, bis hin zur Cecilienhöhe und zur Mooshütte zurück über den Erlengrund bis zu der Kraterquelle in Bad Nenndorf führte. Innerhalb der Choreografie der Wanderung bewegte sich diese also vom Abyss zum Wandelbrunnen, der eine sprudelnde Quelle umfasst und mich an das Märchen “Das Wasser des Lebens” denken lässt.

Neben dem Brunnen findet sich ein See, der wie ein Krater vulkanischen Ursprungs aussieht, es aber in Wirklichkeit nicht ist. Das kalkhaltige Quellwasser, dass hier zutage trat, setzte Kalk frei, sodass ein mehrerer Meter hoher Wall aus Kalktuff entstand, der die einstige “Kraterquelle” umfasste. Heute ist der Quellmund verstopft und der Krater ist deshalb, anstatt mit Quellwasser, mit Niederschlagswasser gefüllt. Traurig schwimmt Müll im Wasser.

Der kleine Krater hingegen ist noch lebendig. Er ist als Brunnen angelegt. Kurgäste werfen zu Beginn ihres Aufenthaltes in Bad Nenndorf Blumensträuße in das Wasser. Diese werden vom ungelösten Kalk konserviert, sodass sie wochenlang frisch bleibt.

Bad Nenndorfer Kraterquelle

“Für Kurgäste gilt:

Wessen Blumen am Ende des Aufenthaltes noch frisch sind, dessen Kur hat Erfolg!)

(Müller, Ingeborg: Unser Sonntagsausflug. Vorschläge für 52 Wanderungen im Weser-, Leine- und Lippischen Bergland mit heimatkundlichen Informationen, Hameln 2007, S. 75)

Als Kind war ich des öfteren bei der Bad Nenndorfer Kraterquelle und den”kleinen Krater”, schließlich waren diese in einem Kleintierzoo eingebettet. Der Brunnen aber war damals für mich immer der wirkliche Höhepunkt des Tierpark- Besuches und ich ließ dort selbst gepflückte Blümchen in das Wasser fallen und wünschte mir dabei die Dinge, die man sich eben als Kind wünscht und die mir nun, im endlosen Strom der Zeit, entfallen sind.

Der Tierpark ist vergangen, die Quelle ist aber noch dort.

Leider liegt dieser heilige Ort direkt zwischen zwei dicht befahrenen Straßen, was aber den Zauber des Haines nicht schmälern kann.

Agnes Miegel: Bad Nenndorfs Dichterin

Auf dem Weg zurück zum Auto passierten wir noch Agnes Miegels ehemaliges Wohnhaus. Leider war das kleine Literatur-Museum am Sonntag geschlossen. So gibt es aber einen Grund für mich noch einmal wiederzukommen.

Schließen wollte ich diesen Beitrag nun eigentlich mit einem aufheiternden Naturgedicht von Agnes Miegel, möchte nun aber – schon wegen der Erwähnung von Allerseelen- den Tag also nach Samhain -im Text, die erste Strophe von “Wagen an Wagen” zitieren. Agnes Miegel greift dabei die Fluchterfahrung der Menschen in Ostpreußen auf, die sich voller Verzweiflung auf eine gefahrvolle Flucht aufgemacht hatten und lässt uns so unsere Ahnen wieder lebendig werden, was ja auch die Botschaft all der Totengedenktage ist. Nur, wenn wir mit der Vergangenheit verbunden sind und mit ihr unseren Frieden gemacht haben, können wir die Gegenwart meistern und die Zukunft für uns erfolgreich bestimmen (siehe auch hier: Pillau . Agnes Miegel hat ihre neue Heimat in Bad Nenndorf gefunden.

Um Allerseelen

In der dunklen Nacht,

Wenn vor uns stehen,

Die immer neu unserem Herzen fehlen, –

Erinnerung erwacht

An die alten Kirchen, die Hügel im Feld,

Wo sie schlafen, Vätern und Nachbarn gesellt,

In verlorener Heimat über der See, –

Und an Alle, die hilflos und einsam starben,

An Alle, die sinkend im Eis verdarben,

Die keiner begrub, nur Wasser und Schnee,

Auf dem Weg unsrer Flucht, – dem Weg ohne Gnade!

(“Wagen an Wagen” von Agnes Miegel, 1. Strophe)

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