5. Mai 2024
Suhurak! Susi!

Der Geier als Krafttier

Was ist ein Krafttier?

Auf einer schamanischen Ebene betrachtet ist ein Krafttier eine Art von Schutzgeist. Wenn sich ein schamanisch Praktizierender mit seinen Schutzgeist verbindet, begibt er sich in eine Welt, die zu unserer parallel besteht. Der Schutzgeist, der sich auch in menschlicher Form manifestieren kann, hilft, Aufgaben in der nicht-alltäglichen Wirklichkeit zu erledigen. Dies kann die Suche nach einer Inspiration genauso sein wie beispielsweise der Vollzug einer Heilung oder die Rückführung eines verlorenen Seelenanteiles.

Auf einer an die moderne analytische Psychologie angelehnten Ebene wäre ein Krafttier wohl am ehesten als ein symbolisch-archetypisches Bild zu sehen, was im individuellen Kontakt Wirkmächtigkeit erlangt. Ich muss aber an dieser Stelle meine Bedenken angesichts dieses vereinfachenden Vergleiches äußern, schließlich kann eine solchermaßen getätigte Übertragung eines Phänomens des Schamanismus auf die Psychologie dem eigentlichen Thema nur unzureichend gerecht werden und muss sich auch der Vorstellung von Energie, die im Krafttier gebündelt ist, verweigern.

Der Geier als Krafttier

“Suhurak! Susi!”, Ölmalerei, 30 x 40 cm, Hannover Juli 2022

Das ist ein Bild eines zweiköpfigen Geiers, das ich vor einigen Wochen gemalt habe. Mit Hilfe der Rune Ar, die im Bild zu sehen ist, habe ich eine Beziehung zum Adler hergestellt. Ich sehe – auf einer archetypischen Ebene betrachtet – den Geier u. a. als einen Schattenaspekt des Adlers an. Die Geierin entspricht für mich mehr dem weiblichen Prinzip, wohingegen der Adler eher dem männlichen zugeordnet werden kann. Die Geierin, die sich von Aas ernährt, und kein anderes Tier tötet, ist zutiefst pazifistisch, wohingegen der Adler eher symbolisch für den kriegerischen Weg stehen kann, weshalb wohl auch so viele Königshäuser den Adler im Wappen führen und nicht den Geier. Letztendlich gehören aber beide zusammen: Geier und Adler sind Aspekte der gleichen Urkraft.

Jenseits der Dichotomien helfen uns symbolhafte Bilder dabei, uns zum ganzen Menschsein zu entwickeln, weshalb eine schamanische Reise zum eigenen Krafttier/zu den eigenen Krafttieren spirituell bereichernd sein kann.

Das schreibt Harald Knauss über dem Geier:

“Häufig wurde er (der Geier, Anm.)) als Synonym für den Adler verwendet. Sein hoher Flug brachte ihn in Verbindung zur Sonne. Er symbolisierte den Höchststand der Sonne, den Zenit, und wurde deshalb auch stets mit dem Helden, als dem Höchstmaß an Kraft und Mut, verbunden. Die Gestalt des Herakles ist eng mit dem Geier verknüpft. In Indien wird die Sage berichtet, daß der Geier Sampati einst seine Schwingen verlor, als er mit seinem jüngeren Bruder zu nahe an die Sonne flog und Sampati den Bruder schützen wollte. Häufig tauchen zwei Geier auf, was sie mit dem Mythos der Zwillinge verbindet. Auch die Geschichte Von Daedalus und Ikarus scheint damit zusammenzuhängen. Die Geier werden im indischen Mythos den starkgeflügelten Rossen gleichgesetzt, die den Wagen der Gottheit ziehen. Man glaubte, daß es bei den Geiern nur Weibchen gäbe und sie vom Ostwind befruchtet würden. Deshalb waren sie auch ein mütterliches Symbol. Im Orient galt der Geier als königlich edles Tier, da er kein lebendes Wesen jagt, sondern sich nur von Aas ernährt. Er stand für königliche Würde und Milde. Die Ägypter bildeten ihn über dem Königshaupt schwebend ab, in der einen Klaue den Ring der Herrschaft und in der anderen die Feder des Gesetzes.

Als Aasfresser waren sie den Germanen unrein und wurden später oft dem Teufel gleichgesetzt. Die Römer bewerteten sie als ungünstiges Zeichen, die eine Niederlage ankündigten, da die Geier über ihrem Opfer kreisen. Ein Geier, der einen Adler schlug, bedeutete für sie Verlust der Macht und Exil. Geier konnten die Vergangenheit und die Zukunft sehen. Ihre Federn sollen Geburtswehen erleichtern. Wegen ihrer Gefräßigkeit galten sie als Sinnbild des Parasiten und standen für Menschen, die eine Erbschaft nicht erwarten können. Der Geier gehörte zu den Tieren, die von Menschen im Namen ruchloser magischer Praktiken und christlicher Abwehrzauber rücksichtslos gequält wurden.” (Knauss, Harald: Das Vogelorakel. Die Botschaft der Vögel als praktische Lebenshilfe, München 1998, S. 51 f.)

Interessanterweise begleitet mich die Geierin schon seit Jahren. In meinem Buch “Mami Wata Tanz” schrieb ich über eine Feder, die ich am Strand gefunden habe und die von diesem mächtigen Vogel stammt. Anscheinend war mir die Bedeutung, die diese Vogelart für mich hat, in der Zwischenzeit aus dem Bewusstsein entschwunden, wohl überlagert von all den Erfordernissen des Alltags, die uns einerseits mit Wachstumspotential versorgen, auf der anderen Seite uns aber auch ablenken, von dem, was unsere eigentliche Aufgabe im Leben ist. Im Hintergrund war meine Beziehung zu dem Geier aber nie abgebrochen und hat sich durch eine künstlerische Arbeit, die bei mir ja niemals geplant ist, wieder in den aktuellen Fokus gebracht.

Möchtest du die Verbindung zu deinem Krafttier auf einer künstlerischen Ebene vertiefen oder dein Krafttier überhaupt erst einmal kennenlernen? Wenn du dafür Begleitung benötigst, dann nimm bitte mit mir Kontakt auf.

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