(01.10) Durch die Vorstädte Dehlis mit ihren Hochhäusern fuhren wir mit dem Reisebus durch das ländliche Indien. Ich sitze vorne und habe deshalb beste Sicht auf das Verkehrsaufkommen und die mehr als riskanten Verkehrsmanöver unseres Fahrers. Nein, in Indien möchte ich kein Auto fahren, schließlich scheint sich absolut niemand an irgendwelche Regeln zu halten, dafür wird dann aber im Zweifelsfall ausgiebig gehupt.
Wir fahren in die Region Shekhavati. Diese bestand, seit dem Niedergang der Mogul-Kaiser im 17. Jahrhundert, aus mehreren kleinen Fürstentürmen. Mandawa gilt mit seinen vielen bemalten Havelis als hübschester Ort der Region.
Das Castle Mandawa
Das Hotel ist ein ehemaliger Rajapalast, der im Empfangsbereich überaus prächtig daher kommt, im Wesentlichen aber schon bessere Zeiten gesehen hat. Über verwinkelte Treppen und Stufen geht es zu den Zimmern, die alle unterschiedlich sind.
Das Fort wurde von Nawal Singh, gemeinsam mit der Stadtbauer gebaut und und im Jahre 1828 erfolgreich gegen den Raja von Sika verteidigt.
Man logiert hier also auf geschichtlichem Grund.
Von Außen sieht die Festung gewaltig aus, im Innern zeigen sich aber filigrane Türmchen und Dekorationen.
Unbenommen versprüht die ehemalige Festung Charme, sodass ich dann auch darüber hinwegsehen konnte, dass meine Badewanne leider undicht war und die Dusche sich in einem verwinkelten Eckchen befand, das wenig einladend war.
Jedes Zimmer sieht hier anders aus und manche meiner Mit-Reisenden hatten bezüglich ihres Zimmers sehr viel mehr Glück als ich.
Das Castle Mandawa liegt oberhalb der Stadt, sodass man einen fantastischen Ausblick auf die Häuserschluchten hat.
Das Essen am Abend war delikat und das Zusammensein mit der Reisegruppe im Palast-Hof standesgemäß. Beim 0,6 Liter-Kingfisher-Bier konnten wir Fledermäuse beobachten und erste Indien-Eindrücke austauschen.
Die Kaufmannspaläste
Sie sind typisch für Mandawa und seine Umgebung. Die Havelis, was “geschlossener Raum” bedeutet, sind der hauptsächliche Grund, warum Rajasthan-Rundreise-Veranstalter diesen Programmpunkt aufgenommen haben. Obwohl sie sehr beeindruckend sind, muss ich gestehen, dass ich von ihnen zuvor noch nie etwas gehört hatte.
Bedingt durch den Fernhandel zwischen Indien und dem Osmanischen Reich und somit Europa erlebte die Region ab dem 18. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung, nachdem die Handels-Karawanen ihre Routen verändert hatten, um so der Besteuerung durch die Fürsten zu entgehen.
Immer mehr Kaufleute ließen sich hier nieder und diese zeigten, wie lukrativ ihre Geschäfte waren, auch durch aufwändige Verzierungen im Außenbereich ihrer Häuser.
Leider ist die einstige Pracht im Verfall begriffen und viele der Häuser sind vom Schimmel befallen. Gerade bei den Havelis, die aufgegeben wurden, sind Wandmalereien schon zerstört und der marode Charme, der sich überall in Mandawa breit macht, ist deshalb auch nicht wirklich romantisch. Hier muss dringend etwas passieren, um den Prozess des Verfalls aufzuhalten und diese wunderbaren Häuser der Nachwelt zu erhalten.
Diejenigen Havelis, die zum Hotel umfunktioniert worden sind, werden restauriert. Der Tourismus kann für die Region also durchaus zum Hoffnungsträger werden.
Ein kleiner Stadtrundgang in Mandawa
Schade jedoch, dass man das Heritage Hotel nicht verlassen kann, ohne von unzähligen Händlern umringt zu werden. Nachdem gerade die Monsum-Zeit in den letzten Zügen lag und in den vorangegangenen Monaten in dieser touristisch doch eher unbeliebten Zeit sich wohl keine Besuchermassen durch die verschlafen wirkende Stadt breit machten, fokussierte sich die ungeteilte Aufmerksamkeit der Händler auf uns. Man witterte eine lukrative Verdienstquelle. Das kann ich durchaus verstehen, jedoch möchte ich die Häuserfassaden in Ruhe betrachten. Unmöglich!
Unser Reiseleiter zeigte uns die prächtig verzierten Kaufmannshäuser, während wir gleichzeitig damit beschäftigt waren Souvenirverkäufer abzuwehren.
Kleiner Tipp: Erfolgversprechend ist es hier nur, bei Nicht-Interesse an den feilgebotenen Waren, keinerlei menschliche Regung zu zeigen. Ein freundliches “No, thanks”, wird leider schon als Interesse gewertet.
Ab und zu gelang es mir dann doch, trotz der massiven Nötigungen, die Fassadenmalereien zu betrachten. Sie erlebten ihren Höhepunkt zwischen 1830 und 1900 und die Malereien zeigen nicht nur Darstellungen aus der indischen Mythologie, der Sage von Dhola und Maru, den indischen Romeo- und Julia-Paar, sondern auch zeitgenössische Bilder wie beispielsweise eine Dame mit Grammophon oder eine Eisenbahn. Hübsch!
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Ein Gedanke zu “Auf nach Mandawa!”