5. Oktober 2025

Die Magie des Malens oder wie ein neues Bild entsteht

Natürlich weiß ich nicht, wie andere Künstler den Malprozess erleben und ich nehme an, dass er so unterschiedlich erfahrbar sein wird, wie es auch niemals vollkommen identische Menschen geben wird. Im Folgenden erzähle ich euch von dem Malprozess, der mich beim Entstehen eines meiner letzten Bildes begleiten hat.

Lass dich inspirieren und entdecke die Magie des Malens für dich.

Der Mal-Prozess

Ich bleibe dem Thema der Meerfrauen treu und habe aus einer intuitiven Laune heraus, das obige Bild gemalt. Ehrlicherweise sei gesagt, dass solche Bilder meist damit beginnen, dass ich gerade an einem anderen Bild arbeite und noch Farbe übrig habe, die ich dann “irgendwie” auf ein Blatt Papier verbringe und so kommen dann schon mehrere “Arbeitsphasen”, die eigentlich besser als Spielereien beschrieben werden sollten, zusammen, bevor ich mit der eigentlichen künstlerischen Gestaltung beginne. Manche dieser Spielereien liegen bei mir auch monatelang herum, bevor ich mich entschließe, damit überhaupt etwas anzufangen. Andere verbleiben in Kisten und dunklen Abstellkammern, haben aber im Prozess ihres Entstehens für Freude gesorgt.

… und die Magie dabei!

Ein Bild muss zu mir sprechen, damit es weitergehen kann. Allerdings habe ich auch Methoden entwickelt, um so ziemlich jedes zufällige Bild für mich als Ausgangspunkt für weitere künstlerische Prozesse zu nutzen.

Ein Farbfleck ist plötzlich kein bloßer Zufall mehr, sondern zeigt mir ein Wesen, eine Architektur oder eine Landschaft, die in das Sein verbracht werden möchte. In diesem Sinne ist künstlerisches Arbeiten für mich immer Magie.

Das oben gezeigte Bild habe ich auf eine Pappe, die ursprünglich die Rückseite eines Zeichenblocks bildete, geklebt. Warum auch immer teure Materialien verwenden, von denen aktuell schon eine ganze Industrie von Künstlerbedarf-Krämern lebt? Dabei wird schließlich immer vergessen, dass wenig manchmal mehr ist und dass das beworbene Material manchmal tolle Effekte zaubert, dann aber, wenn kein “Inhalt” beim Künstler vorhanden ist, bleibt es dennoh bloße Dekoration und hat wenig bis gar nichts mit dem zu tun, was ich suche: Magie.

Links in der Ecke habe ich mit Kugelschreiber gekritzelt, während ich einen Film geschaut habe. Im finalen Stadium des Bildes wird diese kleine Nebenzeichnung verschwunden, aber auf einer energetischen Ebene trotzdem noch vorhanden sein. Vielleicht ist das, was ich dort angedeutet habe, ein kleiner Verweis auf die prächtigen Meerpaläste, die die Seejungfrauen, Meerkönige und Wasserfrauen bewohnen und die für uns Menschen in der Anderswelt liegen, die im alltäglichen Tagesbewusstsein für uns nicht sichtbar ist, von denen uns aber die Märchen und Sagen berichten?

Seeschlangen und Schildkröten

Das nächste Foto zeigt die zweite Phase im Werden meines Mami Wata-Bildes. Hier ist schon viel passiert. Die Kugelschreiber-Kritzeleien haben Spiralen und Unterwasserlandschaften gebildet. Aus Wasserbewegungen wurden Seeschlangen und die Hände der Göttin haben sich in Krallen verwandelt.

Gerne klebe ich immer Stoffreste auf meine Bilder. Den grünen Stoff mit den Pailletten habe ich mir vor langer Zeit einmal in Gambia zu einer weich fallenden Tunika vernähen lassen. Leider hat die Zeit ihren Tribut gefordert, sei es nun, dass das Kleidungsstück gerissen oder das mein Körperumfang zugenommen hat, auf jedem Fall passte es nicht mehr. Ich habe es dann gewaschen, zerschnitten und auf sehr vielen künstlerische Arbeiten von mir verbracht, sodass der Stoff auf diese Art und Weise eine Brücke spannt zwischen meinem Leben in Deutschland und dem in Gambia und auch zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Traum und Realität, zwischen Unbewussten und Bewussten.

Die Pailetten birgen immer die Gefahr, dass ihre Verwendung in Bildern diese in das Kitschige abgleiten lässt. Diesen Fallstrick erliegen wir, wenn wir als Erschaffende Allgemeinplätze bedienen und sei es nur dadurch, dass wir die Bilder, die täglich auf uns einströmen, unbewusst reproduzieren, einfach deshalb, weil das, was wir ständig sehen, von uns, wie die Gehirnforschung mittlerweile auch nachgewiesen hat, als “schön” und “richtig” empfunden wird. Manchmal nimmt dieser von mir beschriebene Vorgang auch seinen umgekehrten Lauf, so bei Friedensreich Hundertwasser, der nachdem er künstlerisch erfolgreich geworden war, seine Spiralen auf unzählige Produkte drucken ließ. Er machte sie so selbst zum Allgemeinplatz und so zum Kitsch. Dass der Kitsch aber durchaus seine Berechtigung haben kann, könnt ihr hier nachlesen.

Auf meinen Bildern tauchen immer mal wieder Runen auf. Auch auf meinem neuesten Mami Wata-Bild ist eine Rune versteckt. Vielleicht seht ihr sie ja.

Und die Schildkröten? Sie tauchten im Nachgang zu einem Vortag auf, der vom Viktor & Museum & The Last Tuesday Society abgehalten wurde und in dem es nicht nur um Schildkröten im Allgemeinen, sondern auch darum ging, wie es anfing, dass Schildkröten als Haustiere gehalten wurde und wie die Liebe mancher Menschen für Schildkröten erwachte.

Schildkröten waren bisher niemals in meinen Bildern zu sehen. Es kann sein, dass sie in Zukunft erneut auf meinen Bildern auftauchen werden; es kann aber auch sein, dass der gesehene und gehörte Vortrag eine einmalige Inspiration darstellte, die letztendlich aber mit mir nicht so weit in Resonanz gehen wird, als dass das Motiv erneut auftauchen wird.

Dies bleibt abzuwarten. Es kann auch anders kommen, was mich manchmal selbst überrascht.

Jeder, der sich einem intuitiven Zugang zur Kunst öffnet, wird feststellen, dass bestimmte Symbole, Abstraktionen, Gestalten oder Gegenstände immer wieder auf den eigenen Bildern auftauchen (und manchmal auch wieder verschwinden). Das ist die individuelle Mythologie, die sich im künstlerischen Tun bildet und die den eigenen, unverwechselbaren persönlichen Stil des Künstlers formt.

Fertig?

Mami Wata, Mixed Media, 58 x 41,5 cm, Hannover, April 2022

Im letzten Schritt war ich neugierig ein Gießharz auszuprobieren, was ich mir vor zwei Jahren einmal gekauft, aber nie ausprobiert hatte. Dieses wird mit einem Verhärtungsmittel vermischt und bildet dann, wenn man es im noch flüssigen Zustand auf das Bild aufträgt, nach dem Trocknen einen glänzenden und flimmernden Film. Das passt zum Thema meines Bildes, dachte ich mir, und so probierte ich es einfach aus. Im Endergebnis glänzt das Bild nun, je nachdem, von welcher Perspektive man es betrachtet.

In den Gebrauchsanweisungen für das Kunstharz wird immer eine gleichmäßige Schicht favorisiert, in der man eventuell entstehende Luftblasen wegbrennen soll. Ich selbst finde es aber gerade spannend, wenn das Harz nicht überall identisch aufgetragen ist und es eben auch zufällige Unebenheiten bilden darf. Haptisch fasziniert es mich nun auch. Beim Hinüberstreichen mit der Hand bin ich nun gleichermaßen mit rauher Pappe, Harz und Stoffstrukturen konfrontiert. Spannend!

Wider das Perfekte!

Auf meinem letzten Foto sieht man noch, dass ich die fragilen Ecken der Papprückwand an den Ecken mit Stoff verstärkt habe. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie das verwendete Material oder aber auch vermeintliche “Fehler”, die im Schaffensprozess auftauchen, eben gerade kein Manko darstellen, sondern wieder zu neuen Ideen und Inspirationen führen können. Nichts ist langweiliger und nichtssagenden wie das vermeintlich Perfekte, das keine Geschichte erzählen kann, außer der, die schon in der Anleitung steht.

Leider lassen sich die meisten Menschen durch eine in unseren Medien vorgeführte sterile und deshalb auch toxische Perfektion davon abhalten, selbst zum Künstler zu werden. Und so konsumieren sie nur und tun damit leider das, was unser System für sie vorgesehen hat, nämlich abhängig zu sein von den Bewusstseinsindustrien, wie sie Hans Magnus Enzensberger so treffend beschrieben hat. Leicht wäre es, dies zu überwinden, wenn die Menschen sich von den falschen Bildern emanzipieren und ihre eigenen Geschichten und Mythologien entdecken würden. Sie würden dann feststellen, dass im künstlerischen Prozess das individuelle Glück, was paradoxerweise über uns hinausreicht (siehe hier!), wohnt. Das ist die Magie des Malens!

Einige Tipps zum Schluss

  • Halte immer genug Kunstmaterialien bereit, um zu jeder Zeit anfangen zu können! Diese müssen nicht notwendig teuer sein. Es können auch Altersmaterialien sein.
  • Lass dich von Orten, Vorträgen, Musik, Personen, … etc. inspirieren. Kunst kann auch “nebenbei” entstehen und braucht nicht notwendigerweise den “perfekten” Rahmen.
  • Spiele und sei offen für den Zufall!
  • Strebe keine Perfektion an. Lass zu, was entsteht!
  • Angefangene Arbeiten können der Beginn für einen neuen Malprozess sein. Hebe deine Bilder auf, male sie weiter, schreibe etwas darauf, zerschneide sie und benutze sie für eine Collage, kritzele etwas darauf, … spiele!
  • Genieße das Glück im Prozess und sei gespannt, was du dabei erfahren kannst!
  • Lerne: Die Magie des Malens führt zu Erkenntnissen! Über dich und über die anderen.
  • Habe ich etwas vergessen? Schreibe es mir in die Kommentare. Kontakte machen Spaß.

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