Gestern habe ich eine Reise in die Vergangenheit unternommen.
In Bückeburg war Mittelaltermarkt und ich hatte – trotz eines heftigen Regenschauers – recht viel Spaß dort, zumal ich mich dafür passend gekleidet hatte.
Ich weiß zwar nicht, an welche Epoche der Schnitt meines Kleides angelehnt ist, ich nehme aber an, dass es sich um die Gewandung einer Burgfrau handelt. Solch eine Inszenierung, solch ein Verkleidungsspiel, bereitet nicht nur mir viel Freude, sondern anscheinend auch anderen Menschen, die eben wahlweise als Wikinger-Berserker, Markthändlerin, Bettler, Ritter, Barde und was dergleichen Rollen noch mehr sind, auftreten. Auf solchen sommerlichen “Spielwiesen” sind eben die gesellschaftlichen Rollen noch nicht fest zementiert und jeder”mann” und jede”frau” kann das verkörpern, was er/sie gerne möchte. Selbst mit den Geschlechterrollen wird kreativ umgegangen, sodass ein Ritter eben auch durch eine kampfeslustige Frau dargestellt werden kann. Solch eine gesellschaftliche Variabilität über Geschlechter- und Sozialgrenzen hinaus gibt es leider im gegenwärtigen Deutschland zunehmend weniger, obwohl die dominierenden Medien dies nach wie vor behaupten, vermutlicherweise, um beim “gemeinen Volk” keine Unruhe anzustiften.
Die feudale Wahl meiner Gewandung soll deshalb auch eine Anspielung auf eine Zeit sein, wo die adeligen Herren und ihre Familien noch auf zerklüfteten Bergen gehaust haben, während das gemeine Volk sich durch diese beschützt fühlen sollte und im Umkehrschluss Abgaben entrichten musste. Im 21. Jahrhundert haben wir, jenseits der Mittelalter-Märkte, in Deutschland fast ähnliche Zustände erneut er”reicht”.
– Genau wie damals wird “Reichtum” als gesellschaftlicher Erfolg gewertet, unabhängig davon, ob er auf eigener Leistung beruht oder aber, ob die Erträge der Arbeit von vielen nur einigen wenigen Familien zufließen. Wir haben mittlerweile, wie der Soziologe Sighard Neckel es treffend formuliert, eine “Aristokratie des Geldes”.
– Die Verluste dieser neuen Aristokratie werden aktuell “sozialisiert”, meist mit dem Hinweis auf den “Erhalt von Arbeitsplätzen” und indem einer Wachstumsphilosophie nachgehangen wird, die selbst Keynes negiert hätte. Der sah nämlich eine “Zukunft ohne Wachstum” als Erfolg für die Menschheit, die sich auf diese Art und Weise von mühseliger Arbeit befreit.
– Gleichzeitig wird konkrete Arbeitsleistung entwertet, indem damit weder Reichtum noch Erfolg zu erzielen ist.
– Leistung wird, hier berufe ich mich erneut auf ein Spiegel-Interview mit S. Neckel, 41/2008, in zunehmendem Ausmaße nur vom gesellschaftlichen Durchschnitt und von den Verlierern verlangt und logischerweise nicht in angemessener Form honoriert.
– Auch Bildung ist keine Garantie mehr für “gesellschaftlichen Aufstieg”. Die Eliten bleiben unter sich!
Bildung ist allerdings eine Garantie dafür, diese aufgezeigte Dynamik zu erkennen, weswegen mittlerweile ein Bildungsausschluss für die “finanzfernen” (Wortschöpfung in Anlehnung an “bildungsfern”) Schichten erfolgt.
– Prominenz, was gleichbedeutend mit Erfolg, meist jenseits von Leistung, ist, wird mittlerweile an die eigenen Kinder weitergereicht.
– Casting-Shows sollen die Massen beruhigen und die Illusion der Möglichkeit eines gesellschaftlichen Aufstiegs, jenseits der neuen feudalen Strukturen, suggerieren. Darüber hinaus ist die Hauptaufgabe der Reality-Formate, die neben den Casting-Shows die deutschen Fernsehkanäle “verstopfen”, den antiquierten Leistungsgedanken in der Unter- und der abnehmenden Mittelschicht zu zementieren, indem beispielsweise den Fernsehzuschauer/inne/n “Abgrenzungen” nach “noch weiter unten” ermöglicht werden. Die Erkenntnis beim Zuschauer/bei der Zuschauerin: “So schlecht wie denen geht es mir auch nicht”, kann gesamtgesellschaftlich beruhigend wirken und ist auch so von RTL und Co. politisch gewollt.
Falls du dich vom Neofeudalismus erholen möchtest, gibt es auch am nächsten Wochenende dazu noch Gelegenheit. Schau hier: //www.spectaculum.de/termine/bueckeburg/
Hallo Marina, Anne Hasenauer und ich, Angelika Vater, sitzen im Garten meiner Nichte Kyra, die mit Mann und zwei Söhnen verreist ist. In Kiel sind wir. Und kommen im Gespräch bei Schafskäse, Oliven, Baguette auf dich, weil Anne (die seit 2013 in Würzburg lebt – ich seit 2012 in Koblenz) mich gefragt hat, wann ich denn genau aus Goddert weggezogen sei.. …. Und dann, was denn wohl Marina mache und ihre Kinder. . .
Melde dich einfach mal Mariemeer@t-online.de
Liebe Grüße von Angelika Vater und Anne Hasenauer