7. Mai 2024

Das Kloster Ettal und der Gral

Kloster Ettal

Die Ettaler Klosterkirche hat ihren Ursprung in einem Gelöbnis Ludwigs des Bayern.

Ludwig II. war begeistert vom Ettal.

“Am 2. Januar 1872 war Ludwig mit seinem Bruder Otto zum ersten Mal in der dortigen Klosterkirche. Die Faszination dieses Gotteshauses, das doch eigentlich eine wirkmächtige Tempelanlage darstellt, sollte anhalten, lange und intensiv. In Tagebüchern und in Briefen an Richard Wagner taucht das magische Rund der berühmten Klosterkirche immer wieder auf. War Ludwig doch davon überzeugt, sein großer Namensvetter Ludwig der Bayer habe die Abtei nach Plänen des Gralstempels errichten lassen.”

Fenzl, Fritz: Magische Orte von König Ludwig II, S. 100

Ettal als Gralstempel

Ludwigs Überzeugung, dass das Kloster Ettal nach Plänen des Gralstempels gebaut worden sei, wäre nur haltbar, wenn solche Aufzeichnungen überhaupt jemals existiert hätten. Ludwigs II. scheint jedenfalls davon ausgegangen zu sein, dass Ludwig der Bayer Zugang zu Geheimdokumenten gehabt hätte, die Auskunft über die architektonische Gestaltung des Gralstempels gegeben hätten. Wahrscheinlich hat er sich dabei im Zwischenreich von Historie und mythologischen Spekulationen verloren und so das Profane und Gewöhnliche mit einem Zaubermantel verkleidet. Diese Romantisierung und spirituelle Überschreibung hat ihm dazu inspiriert, immer kühnere architektonische Bauten in Auftrag zu geben, die uns zum Teil heute noch erfreuen.

Der Gral jedenfalls, der je nach Überlieferung als Stein reinster Gestalt oder eines Gefäßes, daß entweder als der Kelch, den Jesus beim Abendmahl genutzt haben soll oder das, mit dem Josef von Arimathäa das Blut von Jesus aufgefangen haben soll, entzieht sich dem Raum- und Zeitkontinuum und so entspringt die Vorstellung vom Kloster Ettal als Gralstempel wohl mehr seinem frommen Wunsch als historischen Tatsachen.

Der Gral

Spätestens seit dem 12. Jahrhundert ist der Gral ein wiederkehrendes Stoff, der wohl seine ursprüngliche Herkunft in Nordfrankreich findet, aber im ganzen nordeuropäischen Kulturkreis Verbreitung fand.

Wolfram von Eschenbach, der Autor des Parzivals, berichtet uns im Parzival von Munsalvaesche als Gralsburg, doch wo diese liegen soll, verrät er uns nicht und wahrscheinlich ist dies auch zweitrangig, vielmehr kann der Mythos, der mit dem Gral, jenen geheimnisvollen Gefäß, verbunden ist, auch heute noch ortslose Relevanz für uns haben und zwar immer dann, wenn wir bereit sind, uns ihm auf einer spirituellen Ebene zu stellen.

Parzival, der Held von Wolfram von Eschenbachs Gralsepos, verkörpert den Wahrheitssucher. Als „tumber tor“ macht er sich, wider den Willen seiner Mutter, auf die Reise zum Hof des Königs Artus. Im Verlauf der Handlung begegnet er der Gralsgemeinschaft und dem siechenden Gralskönig, den er nicht erlösen kann, weil er es versäumt, die richtige Frage zu stellen. Dieses Versäumnis wird zum Erweckungserlebnis. Hernach versucht er erneut den Gralstempel zu erreichen, um die erlösende Frage nach der Ursache des Leidens der Gralsgemeinschaft stellen zu können und so seinen Fehler wiedergutzumachen.

Nicht nur Wolfram von Eschenbach berichtet uns vom Gral. sondern auch andere Dichter, beispielsweise Chrétien de Troyes und Robert de Baron. Wolfram von Eschenbach erzählt im Parzival, daß er selbst die Geschichte von einem unbekannten Troubadour namens Kyot erzählt bekommen hat, der in Toledo auf die Handschrift des Heiden Flegetanis getroffen ist, der den Namen des Grals in den Sternen abgelesen haben soll, dies aber nicht zu deuten wußte, da er ein Heide war.

Was ist der Gral für dich?

Der Gral wurde damals als Beispiel und Muster, das auf Erden die paradiesische Vollkommenheit vertritt, angesehen. Es wurde angenommen, daß er Nahrung und Heilung bietet. Bis heute wird er mit göttlicher Macht und spiritueller Erleuchtung in Verbindung gebracht und als Symbol für Reinheit und Erlösung gedeutet.

Ich selbst sehe ihn, im modernen Sinn, als Symbol des höchsten Potentials des Menschen. Um die Gralssuche erfolgreich zu bestehen, müssen nicht nur die eigenen Möglichkeiten erkannt, sondern diese auch verwirklicht werden.

Die Ikonographie des Grals

Wie oben schon angedeutet wurde der Gral im Laufe der Geschichte in verschiedenen Formen dargestellt: als Stein, als einfache Tasse und als heiligens Gefäß mit übernatürlichen Kräften.

Das nachfolgende Bild zeigt meine Interpretation des Grals.

Der Gral zeigt eine Offenheit nach oben und eine Geschlossenheit nach unten. Bei meinem Bild ist er von einer Schlange umgeben, die in diesem Fall Symbol für die männliche Energie sein soll, die der weiblichen des Gefäßes gegenübersteht. Die Schlange verweist auch auf die Heilige Lanze (Longinuslanze). In meinem Bild führt der Schwanz der Schlange in den Mund des Gesichtes, das auf den Gral zu sehen ist.

Ich habe eine sehr bildliche Darstellung des Grals gewählt.

In der Parzival-Inszenierung des Staatstheaters Hannovers in der letzten Spielzeit erscheint der Gral als nüchterner Quader und erinnert mich so andas schwarze Quadrat des Künstlers Kasimir Malewitsch, des Begründer des Suprematismus. Es ist bei ihm ein wiederkehrendes Motiv.

Kazimir Malevich, 1915, Black Suprematic Square, oil on linen canvas, 79.5 x 79.5 cm, Tretyakov Gallery, Moscow (public domain)

Auch ein kleiner Verweis auf die Ikonenmalerei sei mir an dieser Stelle gestattet. Mit dieser hat Malewitsch Kunstwerk gemein, dass es dabei nicht vorrangig darum geht, die Realität abzubilden, sondern göttliche, spirituelle und mythische Kräfte zu visualisieren. Diese Idee zu Ende gedacht, muss dies zur puren Gegenstandslosigkeit in der Malerei führen. Diese Idee wurde im schwarzen Quadrat verwirklicht.

Auch mir geht es im künstlerischen Ausdruck immer um den Dialog mit den Numinosen. Dieser eröffnet die Zwischenräume, die den mystischen Kräften erst Ausdruck verleihen können. Aktuell drücke ich mich jedoch nicht in reiner Abstraktion aus.

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