Die Geisteswissenschaften verflachen – dank Bildungsreformen – immer mehr. Forschungsschwerpunkte wagen keine Bezüge mehr zum Jetzt, sondern werden seziert in Klein-Kleiner- Am Kleinsten-Fragestellungen. Anstatt mutige und leidenschaftliche Bekenntnisse zu liefern (allenfalls die französischen Essayisten sind dazu noch fähig), wird schon seit Jahrzehnten jedes Thema auf den minimalsten gemeinsamen Nenner seziert, bis es zwar irgendwelchen “wissenschaftlichen” Kriterien gerecht wird, andererseits aber so blutleer ist, dass Belanglosigkeit noch eine nette Umschreibung dafür wäre.
Dies alles geschieht vor dem Hintergrund einer universitären Bildung, die in den vergangenen Jahren immer mehr verschult ist.
Vorletztes Jahr besuchte ich als Gasthörerin einige Seminare und Vorlesungen in den Fachbereichen Religionswissenschaft und Philosophie. Da, wo die Veranstaltungen ein Publikum von Senioren ansprachen, vielleicht sogar von einem emeritierten Professor gehalten wurden, fand ich den Spaß am sich Verlieren in Fragestellungen jenseits des Nützlichkeitsprinzipes wieder, den ich auch in meinem Magister-Studium vor Jahrzehnten kennengelernt hatte. Da aber, wo junge Studenten angesprochen wurden, ging es vornehmlich um Credit-Points und abfragbares Multiple-Choice-Wissen. Im aktivistischen Sammeln von Leistungsnachrichten in kürzester Zeit wird Bildung abgeleistet, genauso wie das Boot-Camp im Fitness-Center überlebt wird. Was dabei herauskommt ist ungefährliches, da oberflächiges und belangloses Wikipedia-Wissen. Fakten ersetzen Interpretationen. Der Pragmatismus herrscht. Die berufliche Verwertbarkeit scheint das hauptsächliche Ziel solcher Veranstaltungen zu sein, denen auch die Professoren mit universitären Zeitverträgen ausgeliefert zu sein scheinen.
Wenn jetzt noch das Dogma des englischen Sprachgebrauches an den deutschen Universitäten hinzu kommt, verschärft sich die ohnehin schon bescheidene Situation. Der globalisierte Geld-Adel und seine Vasallen indes müssen keine Befürchtungen hegen, dass von den Geisteswissenschaften in Zukunft Kritik am herrschenden Status Quo zu erwarten wäre, denn schließlich – das weiß jeder Linguist – beeinflusst die Sprache das Denken, was hier meint, dass es – bei der Dominanz nur einer Sprache – eingeengt wird. Der homo oeconomicus breitet sich auf diese Art und Weise immer weiter aus, obwohl alle Beteiligten eigentlich wissen müssten, dass die meisten von ihnen keine Nutznießer dieser Entwicklung sind, sondern nur ein wissenschaftlich-dummes Prekariat von Claqueuren bilden.
Befreit also das Denken!