5. Oktober 2025

Wie man sich selbst neu erfindet!

 

“Design your life”: Vor etlichen Jahren habe ich diesen Slogan auf meiner Homepage ironisch benutzt, musste dann aber feststellen, dass er einige Jahre später – durchaus ernsthaft gebraucht – auf Werbeplakaten  im örtlichen Nahverkehr zu sehen war.

Besser konnte die Platzierung für diesen Spruch nicht gewählt werden. Wenn man – im schlimmsten Fall – bei traurigem Novemberwetter um 5.40 Uhr in der Bahn sitzt, zusammen mit anderen Arbeitssklaven, dann schreit  einem der Spruch “DESIGN YOUR LIFE”  förmlich entgegen, gepaart mit dem Vorwurf, dass derjenige, der ihn in der finsteren U-Bahn lesen muss, sicherlich nicht genügend “designt” hat, um dieser trüben Hölle zu entkommen.

Geworben wurde damals  – so meine Erinnerung – für eine bezahlte Ausbildung in irgendwelchen langweiligen Marketenderinnen- Bereichen, die einen – nach erfolgreicher Absolvierung –  später also, viel später – erneut in die U-Bahn entlassen werden würden, um Sprüche von Werbe-Praktikanten lesen zu müssen, die diese irgendwo im Internet aufgeklaubt haben.  “Design your life” in der Warte- und in der Endlosschleife!

Freiheit – das ist das große Versprechen und es soll erlangt werden, indem man sich immer neu erfindet, sich also quasi eine neue Haut, die die Werbe- /Medien-Bewusstseinsindustrie für uns als statthaft erachtet hat, überzieht. Unreflektiert und somit unfrei!

Und so entscheide ich mich heute,  die Rolle einer erfolgreichen Unternehmerin zu spielen:  so lange, bis ich eins mit der Maske geworden bin und selbst daran glaube. Im performativen Akt  verteile ich schon einmal fleißig Visitenkarten.

In unserer freudlosen Realität wird an der so aufgebauten Camouflage krampfhaft festgehalten und Versuche von Zeitgenossen, diese aufzudecken, werden mit Missachtung oder/und Aggressionen abgewehrt. Spielverderber sind sie. Das Leben ist schön, tralala!

Anders verhält es sich in der  Chaosmagie, die auch die Wahl von beliebigen Rollen, jedoch als Bewusstseinsübung, kennt. Da wäre jedoch, nachdem die erste Rolle zur zweiten Haut geworden ist,  die Zeit gekommen,  in die nächste zu schlüpfen, beispielsweise in der der  Kopftuch-Muslima  oder – besser – in die von Brunhilde, die mit Flammenschwert bewaffnet, die um sich greifenden Lügen und Selbstbetrügereien hinwegfegt.

Doch bis es soweit ist,  bin ich umgeben von Menschen, die irgendetwas vorspielen, was – bei ein wenig Intelligenz – als Lüge enttarnt werden muss. Und so begegnen mir ständig Menschen,

– die ihre glücklichen Paarbeziehungen durch penetrante Bezugnahme auf “meinem Mann”  bekräftigen müssen,

– Comiczeichner, die sich vor Aufträgen nicht retten können,

– Eltern mit hochintelligenten Kindern,  die allerdings vollkommen verkannt werden,

– Besitzer von A-Klasse-Karosserien, die von der Firma im Finanzmarketing  mit “Leasingverträgen für die gewerbliche Nutzung” gesponsert werden,

– Veganerinnen, die ihr tierliebendes  Lebensgefühl zur Schau tragen und das Mantra beständig wiederholen: “Ich bin besser, besser, besser  …. als du!” ,

– Menschen “mit tollen Jobs in der Medienbranche”, die sich in Wirklichkeit von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln,

…. und … und  …. und …

Mehr Schein als Sein eben.

Und alle, wirklich alle, sind dabei bemüht,  vollkommen “authentisch” zu sein.

Der harmlose Begriff der Authentiziät wird so in sein Gegenteil verkehrt. Authentizität meint nun, seine Maske perfekt bis zur Selbstaufgabe zu tragen, sie sich gar einbrennen zu lassen, um ein Zeichen zu tragen, was zeigt, wer hier der Besitzer des eigenen Lebens ist.

Du selbst bist es jedoch nicht.

Und so trägt der Nordwind den gewaltigen Ruf Brunhildes zu uns:

“Schluss damit!”

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