Am Donnerstagnachmittag bin ich kurz über die CEBIT geschlendert. Schließlich wohne ich ja momentan “fast um die Ecke”.
Nun ist es so, dass ich eigentlich ziemlich begeistert bin von Computertechnologien und den gesellschaftlichen Möglichkeiten und Veränderungen, die sich daraus ergeben. Da stellen sich nämlich viele spannende Fragen. Dadurch nämlich, dass sich virtuelle Welten immer perfekter darstellen, diese teilweise die Realität schon “übertreffen”, muss ich – als Konsequenz daraus-
– die Realität nicht mehr schützen und kann also mit Umweltzerstörungen fortfahren./
– kann Kosten sparen, da der virtuelle Golfkurs günstiger als der im Wohnzimmer ist und schädige auch die Landschaft nicht (was reale Golfanlagen ja tun!)./
– vereinsame ich langsam, weil ich mich nicht mehr in den Außenbereich wagen muss. Das reale Leben wird immer ärmer, da die Kommunikationsstrukturen verflachen./
– muss ich nicht mehr ans andere Ende der Welt reisen, um einen Eindruck – beispielsweise vom Amazonas – zu bekommen. Das wiederum ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern begrenzt auch die schädlichen Auswirkungen des Tourismus./
– erhalte ich nur noch “vorgefertigte” Instantwelten, die keine Reibungspunkte mehr enthalten, die wiederum Voraussetzung für persönliche Entwicklung sind./
– werde ich manipulierbarer von denjenigen, die die Machtzentralen besetzen.
All das – und diese Aufzählung lässt sich fortsetzen und gedanklich vertiefen – sind mögliche Resultate, die sich aus der neuen Technik, die sich immer rasanter entwickelt, ergeben. Warum werden aber diese gesellschaftlichen Möglichkeiten, seien sie nun positiv oder negativ, auf der CEBIT nicht diskutiert?
Wäre es nicht angeraten, dass wir, als Weltbürger/innen, uns Gedanken darüber machen, wie die beste aller Welten aussehen sollte? Für mich zumindest wäre das Ziel klar. Es wäre eine positivere Welt, die an das – hier kommt die Germanistin in mir durch – idyllische Arkadien angelehnt wäre. Im zweiten Schritt würden wir dann gemeinsam darüber in Diskurs gehen, wie sich – auch (und gerade) mit Hilfe der neuen Technologien- dieses Ziel verwirklichen lässt, wie die Menschen (wir alle also) zu ethisch-korrekteren MitbürgerInnen transformiert werden könnten.
Diese eigentlich soziologische Komponente ist bei der Messe ausgeklammert, wobei ich natürlich nicht weiß, ob sich nicht doch – in irgendeinem versteckten Winkel der Messe – ein Platz gefunden hätte, wo diese Fragen diskutiert worden wären. Es fehlt (fast???) vollständig eine Auseinandersetzung darüber, wohin (sic!) uns diese Technologie führen soll. Und wenn dies dann kurz angerissen wird – wie etwa beim Fraunhofer-Institut – bleibt es bei einer Präsentation stehen, die auf Show-Effekte (z.B. den 3D – Fernseher) reduziert ist. Und zur Entspannung gibt es dann – auf dem Außengelände – Motorrennen, während Miss Blablabla – in Lack und Latex – Männerphantasien bedient und dafür sorgt, dass auch in Bezug auf Gender-Gerechtigkeit alles beim Alten bleibt. Wo bleibt die Opensource-Bewegung (Linux-Tüten habe ich zumindest gesehen!), die – und da hätte die Messe-AG auch mal “kostenlose” Standflächen vergeben können – doch auf eine weltgrößte Computermesse gehört, zumal sie – meiner Meinung nach – “die” basisdemokratische Innovationsmacht der Zukunft überhaupt darstellt?
Wie gesagt kann es sein, dass sich mir – bei meinem zweistündigen Spaziergang – Aspekte, die in eine “andere”, menschlichere (Humboldt lässt grüßen!) Richtung gezeigt hätten, nicht offenbart haben? Ich wäre froh darum, wenn sie irgendwo ihren Nischenplatz gefunden hätten, sodass die gesellschaftlich bestimmende Computertechnologie nicht auch in Zukunft den “grauen Männern” überlassen bleibt, die allein Kapitalinteressen bedient und somit den “Markt” bestimmen lässt, was die Zukunft bringen soll. Dabei werden – wir wissen es alle – vornehmlich “niedere” Instinkte bedient.
Rein optisch gesehen waren dann auch leider die grauen Männer in der Überzahl. Manchmal waren es auch Männer mit Kindergesichtern, die aber, ausgestattet mit den gegenwärtigen (noch aus dem 19. Jh. stammenden) Insignien der Macht (Anzug, Schlips, Krawatte, vorherrschende “Farbe” war grau-schwarz), sich ungeheuer wichtig vorkommen mussten. Nur in den zwei Gaming-Hallen begegneten mir – zumindest manchmal – kreativer aussehende Menschen (Es waren wohl Blutelfen!), sodass es sein kann, dass da, wo sich Spiel und “Wirtschaft” begegnen, sich noch am ehesten “Visionen” finden lassen könnten (Man beachte die gewählte grammatikalische Form!).
Leider bestimmten aber auch hier Shooter-Spiele das Bild. Biosensor-Games, die beispielsweise “spirituelles Bewusstsein” fördern, suchte ich – auch in der “Gesundheits”-Zone – vergeblich. Nun ja … Entspannung ist offensichtlich nicht gewollt!