7. Mai 2024

Yggdrasil

GermanischeFrühkunstYggdrasil1

Das ist der Weltenbaum, den ich hier ins Bild gesetzt habe. Nicht jede der neun Welten habe ich beschriftet und so erkläre ich euch hier kurz meine künstlerische Interpretation der neun Welten.

In der germanischen Schöpfungsgeschichte waren am Anfang Feuer und Eis. Und so steht die Farben Blau für Niflheim, wo die Kälte  und der Nebel herrschen. Das feurige Muspelheim dagegen ist rot. Jötunheim, das Reich der Riesen, ist durch den düsteren Alien-Kopf vertreten. Der Arm des Riesen greift nach Midgard, dem Reich der Menschen, das ich in der Mitte des Bildes, zusammen mit einer Gebo-Rune, platziert habe. Der Baumstamm ähnelt  einer weiblichen Brust, die für den ewigen Zyklus von Geburt und Tod stehen soll, den wir als Menschen unterworfen sind.

Swartalfheim, das Reich der Zwerge, ist durch das Haus im grünen Bildteil symbolisiert. Die Zwerge sind Kunsthandwerker und Schatzhüter und so versorgen sie uns, wenn sie es denn wollen, mit kraftvollen magischen Hilfsmitteln, die unseren Lebensweg erleichtern können.

Der Baumwipfel, den ich als grünen Kopf gemalt habe, steht  sowohl für das Reich der Wanen als auch für das der Asen.

Die Wanen als Fruchtbarkeitsgöttinnen  und -götter geben uns  das Bild einer nicht-hierarchischen  Welt vor, die von Sanftmut und Ruhe geprägt ist. Sie ist gekennzeichnet durch  friedlichen Ackerbau, eines Gefühles des Sich-Wohlfühlens,  eines natürlich-organischen Wachstums,  das  sich in den Zyklus des Jahres einreiht. Feste, die dies – zur Freude aller Beteiligten – zelebrieren, kennzeichnen den Jahreslauf.  In dieser Welt will  Kunst „schön“ und harmonisch sein und schert sich nicht um Perfektionsansprüche, hat selbst vor „Kitsch“  keine Angst. Schön ist, was uns gefällt. Eine Trennung zwischen professionellen Künstlerinnen und Konsumentinnen gibt es nicht, alles vereint sich im friedlichen Reigen eines immerwährenden Festes. Selbst der Tod ist hier niemals  ein endgültiger und schrecklicher Zustand, vielmehr nur wieder Voraussetzung für einen neuen Zyklus des Werden und Vergehens.  Alles löst sich auf, wird eins mit einer universellen Erd-Energie, die im unendlichen Kreislauf empfängt und gebärt.

Doch die Natur ist niemals nur unumschränkt gut, gehört es schließlich zu ihr, unser individuelles Sein für das Bestehen des Großen und Ganzen auszulöschen. Und deshalb benötigen wir auch den odinischen Einweihungsweg, der zur Welt der Wanen parallel besteht.

Vanaheim steht am Anfang und am Ende der Heldenreise.

Hier kann sich der Mensch – kraft seines eigenen Willens – vom natürlichen Kreislauf trennen und so selbst zum Asen, zum Gott, werden.

Für mich stellt die Welt der Asen,  innerhalb des Systems der neun Welten, die männlich konnotierte heroische Welt dar, die kämpfend und erobernd bemüht ist, das eigene Bewusstsein zu entwickeln und so Unsterblichkeit erlangt. Campbell, ein Mythenforscher, hat die Stationen einer solchen Heldenreise eindrucksvoll herausgearbeitet.

Beide Wege, der der Asen und der der Wanen,  sind sowohl für Frauen als auch für Männer begehbar. Im Idealfall sollte der Mensch die parallelen Welten nach Belieben wechseln können und so letztendlich eine “Hochzeit” zwischen ihnen herbeiführen können.   Diese Synthese führt uns zu Lichtalfheim, das ich im Bild durch den Hohlspiegel angedeutet habe und was in der Mythengeschichte  im Gral seinen adäquaten Ausdruck gefunden hat. Hier findet sich die wahre Aristokratie, die durch Herzensgüte und der Fähigkeit zur Emphatie, wie sie uns im Parzival vermittelt wird, gekennzeichnet ist.

Im unteren Bildabschnitt herrscht die Göttin Hel, die Totengöttin, die uns im Märchen als Frau Holle überliefert ist. Die Rune Hagalaz steht hier für die Kraft der Transformation, die aus dem Tod Leben erschaffen und das Leben zum Tod führen kann.

Unterhalb der Esche, bei einer Quelle, sitzen die Nornen, die Schicksalsfrauen, die ihren Faden nicht nur in die menschliche Vergangenheit, in die Gegenwart und in die Zukunft gleiten lassen, sondern uns auch anleiten können, einen Faden in das Kraftfeld des Bewusstseinsfeldes, einer Spinne gleich, zu werfen, das das menschliche Bewusstsein übersteigt. Dies wiederum öffnet uns erst die aufgezeigten Initiationswege. 

Auch die Schlange, rechts im Bild,  verbindet die Welten miteinander und soll ausdrücken, dass als Magierin und Schamanin die Welten beliebig zu bereisen sind.

An einigen Stellen habe ich weiße Flächen stehengelassen, die mit ihren Verschmutzungen und Farbflecken  einen “Arbeitscharakter” vermitteln sollen. Dies ist künstlerische Absicht, denn schließlich sind die aufgezeigten Wege niemals abgeschlossen und immer individuell neu entdeckbar.

Die Aufschrift “Germanische Frühkunst” verweist auf Heinrich Mohrmann, der sich in der Bethlemhemkirche in Hannover von einer germanischen Frühkunst hat  inspirieren  lassen und dabei etwas Neues geschaffen hat, nämlich seine eigenen künstlerisch-individuellen Mythologien – genauso  wie ich.

Über mein Konzept der Individuellen Mythologien habe ich u.a. hier geschrieben: Artist Statement

Ein Blog lebt auch von Ihren Kommentaren!

Entdecke mehr von mamiwata

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen