Bei den Gebäude handelt es sich um das heutige Braunschweiger Kolleg und das Braunschweiger Abendgymnasium, das einst die Akademie für deutsche Jugendführung beherbergt hat.
Vor einigen Monaten war ich dort. Es ist ein privates Gelände und man muss um Erlaubnis bitten, wenn man sich dort umschauen möchte. Leider konnte ich mir das Gebäude nur von Außen anschauen.

Für die Bebauung wurde in den 30er Jahren das Gelände in der Oberaue von der Stadt Braunschweig kostenlos zur Verfügung gestellt. Im ursprünglichen Entwurf gab es eine Dreiteilung des Gebäudekomplexes in Bildungs-, Wohn- und Sportbereichen mit gleich großem Anteilen. Bedingt durch Kriegsvorbereitungen gewann der Bereich der sportlichen Erziehung an Dominanz.
Die Grundsteinlegung erfolgte am 24. Januar 1936, dem Todestag von Herbert Norkus. Dieser war ein Hitlerjunge, der bei einem kommunistischen Anschlag getötet wurde. Die Praxis einer Grundsteinlegung am Todestag eines Opfers, was so zum Märtyrer stilisiert wurde, zu vollziehen, war gängige Praxis im Nationalsozialismus. Es stellt insofern eine magische Handlung dar, weil so zwischen Gegenwart und der mythologisch überschriebenen Vergangenheit eine Verbindung hergestellt wurde, die auf die Lebenden insofern wirken sollte, als dass sie die Bereitschaft entwickeln sollten, notfalls sich selbst für eine ideologisch überschriebene Volksgemeinschaft zu opfern. Dies ist auch der Grund dafür, warum offizielle Gebäude der nationalsozialistischen Architektur immer auch eine Ehrenhalle beinhalteten, so auch das Gebäude für deutsche Jugendführung.




Wer angesichts so viel ideologisch motivierten und instrumentalisierten Totengedenken die Nase rümpft, sollte sich fragen, von welchen Gruppen (national und international) heutzutage (noch) eine ähnlich lautende Rhetorik gepflegt wird? Wo wird der Opfertod für eine gemeinsame Sache in Kauf genommen und inwieweit hat Deutschland gelernt, sich hier zu distanzieren? Oder handelt es sich bei etwaigen Distanzierungen nur um Lippenbekenntnissen, die in der Öffentlichkeit zwar vertreten werden, in Wirklichkeit aber eine gegenteilige oder eine nicht klar definierte, also schwammige Positionierung verschleiern? Muss ein Land, das wehrhaft sein will, einen solchen Kult pflegen oder kann darauf verzichtet werden? Welche Positionierung haben andere Staaten, wie beispielsweise Russland und die USA, hierzu gefunden und wie kann sich Deutschland in Zukunft aufstellen?
Wie gehen wir mit Alltagshelden um und wer definiert, wer ein Held ist und wer nicht? Wem wird gedacht und wer wird vergessen? Was sind die Folgen der Ablehnung eines Heldenkultes? … usw.
Die Beschäftigung mit den Gebäuden des Nationalsozialismus und ihrer in Stein gemeißelten Ideologie kann uns dazu auffordern, sich eben über diese vielen Fragen Gedanken zu machen, um so zur Bewusstmachung eines Problems zu führen, für das es sicherlich keine eindeutigen Antworten geben kann. Nicht die Verdrängung und Tabuisierung einer klaren Stellungnahme bezüglich der aufgestellten Fragen, kann totalitäre Entwicklungen, die dazu neigen sich leise einzuschleichen, auch in Zukunft erfolgreich verhindern, sondern nur ein beständig ausgetragener offener Diskurs über das unbequeme Thema. Dies ist auch wichtig, um angesichts vieler weltweiter Konflikte, eine klare nationale Stellung zu beziehen, die über bloße Lippenbekenntnisse hinausgeht und die sich nicht selbst in Widersprüchen verrennt.
Gerade in Hinblick auf diese Bewusstmachung ist es wichtig, dass die architektonischen Zeugnisse des Nationalsozialismus (genauso wie auch die der DDR) der Nachwelt erhalten bleiben. Sie bieten einen Zugang, sich der Vergangenheit zu vergegenwärtigen und eben dadurch auch aus der Vergangenheit zu lernen, was wiederum Voraussetzung dafür ist, dass die Zukunft bewusst im positiven Sinne gestaltet werden kann. Alles andere beinhaltet immer die Gefahr, einer neuen Katastrophe zuzusteuern.


Als weiterführende Literatur empfehle ich:
Bültemann, Manfred: Architektur für das Dritte Reich. Die Akademie für deutsche Jugendführung in Braunschweig. Berlin 1986