Diesen Sommer bewege ich mich – vollkommen ungeplant – auf den Spuren von Heinrich Breling, deshalb sei mir hier eine kleine Vorbemerkung zu ihm erlaubt.
Wer war Heinrich Breling
Im Jahre 1849 wurde dieser in Burgdorf bei Hannover geboren. Heinrich Breling verlebte seine Jugend in Fischerhude. Dort wurde ein Weinhändler aus Stade auf den zeichnenden und malenden Jungen aufmerksam, was dazu führte, dass das hannoversche Königshaus ihm ein Studium an der Kunstabteilung der Technischen Hochschule Hannover ermöglichte.
Heinrich Breling kämpfte im deutsch-französischen Krieg und setzte hernach sein Studium in München fort.
Dort erregten einige seiner Aquarelle die Aufmerksamkeit von Ludwig II., der ihm weitere Aufträge verschaffte. Er stieg vom außerordentlichen Professor an der Münchener Akademie zum “Königlichen Hofmaler” auf und hielt im Auftrag von König Ludwig II. seine prachtvollen Schlösser bildnerisch fest.
Ludwig II. verstarb und nach seinem Tod kehrte Heinrich Breling nach Niedersachsen zurück, wo er zuerst teilweise in Hannover und Fischerhude lebte, um dann seinen Alterssitz ganz in Fischerhude einzunehmen.
Fischerhude, was ja gleich bei Worpswede liegt, war aber, um jetzt zu meinen Reisen überzuleiten, die letzte Etappe meiner kleinen Worpswede-Reise, die unter dem Titel “Kunst und Kulinarik” vom Hotel Worpsweder Tor beworben wurde und zu der ich von Freunden eingeladen worden war.
Ludwig II. wird während dieses Sommers auch noch eine Rolle für mich spielen, doch darüber werde ich in einem späteren Beitrag berichten. Jetzt soll erst einmal über die kleine “Kunst und Kulinarik”-Reise nach Worpswede erzählt werden.
“Kunst und Kulinarik” in Worpswede im Hotel Worpsweder Tor
Das Angebot “Kunst und Kulinarik” beinhaltete zwei Übernachtungen, zweimal Frühstück und Abendessen, sowie vier Eintrittskarten für Worpswede Museen.
Der Preis für das Angebot war in Ordnung, sodass ich gerne darüber hinwegblicke, dass das Hotelzimmer in die Jahre gekommen war und keinesfalls mehr den Stand von heute entsprach.
Das Frühstücksbuffet war akzeptabel, nur dieses industriell hergestellte Rührei, zu der sich immer mehr Hotels entschließen, ist eine Unsitte, die abgeschafft gehört. Die Brötchen waren lecker und für Teetrinker gab es immerhin Teebeutel in der Gastronomie-Ausführung. Loser Tee wäre natürlich ein Traum gewesen, aber ich war ja nicht in Ostfriesland, sodass ich hier nicht zu viel erwarten konnte.
Im Gegensatz zum Frühstück war das dreigängige Abendmenü mit zusätzlichem “Gruß aus der Küche” ein kulinarisches Erlebnis, das den Tiel des Angebotes “Kunst und Kulinarik” alle Ehre erwies!
Die Abendmenüs trösteten mich wiederum über die kränkelnde WLAN-Verbindung hinweg, aber wollte ich nicht sowieso ein wenig digitale Abstinenz üben?
Überhaupt waren alle im Hotel Worpsweder Tor sehr, sehr freundlich, sodass ich jederzeit hier wieder nächtigen würde und es mir fast leid tut, an dieser Stelle ein wenig Kritik geäußert zu haben.
Gestärkt von all den kulinarischen Leckereien fiel es leicht, die im Preis inkludierten Museen zu besuchen.
Ein erster Rundgang durch Worpswede
Um aber Worpswede erst einmal zu erfassen, entschieden wir uns zuerst, für einen kleinen Rundweg, der uns von der Tourist-Information, die in einem Backsteingebäude, das der Architekt, Bildhauer und Künstler Bernhard Hoetger für die Weberin Elisabeth Vatheur gebaut hatte, zum einstigen Kolonialwarengeschäft des Kaufmanns Stolte führte. Seine Tochter Mimi Stolte lud 1884 den damaligen Kunststudenten Fritz Mackensen nach Worpswede ein, was letztendlich den Grundstein für das Künstlerdorf Worpswede legte. Danach ging e s weiter zur Bauernreihe. Das ist Worpswede älteste Straße und hier bekommt man eine Ahnung davon, wie das Dorf Worpswede, das erstmals 1218 urkundlich erwähnt wurde, einmal ausgesehen haben mag.
Die Strecke bis zum Worpsweder Bahnhof, der von Heinrich Vogeler erbaut wurde, streckte sich ein wenig. Leider konnten wir keinen Blick in das Innenleben des Jugendstil-Bahnhofes mit Restaurant und Café werfen, da dieses geschlossen war. Überhaupt war, diese Anmerkung sei erlaubt, in Worpswede sehr, sehr viel geschlossen, was zum einen daran liegen mag, dass wir während der Woche dort waren und zum anderen Corona geschuldet sein mag. Wir hatten allerdings wenig Verständnis für all die verschlossenen Türen, schließlich hatten die niedersächsischen Sommerferien gerade begonnen und wegen der Unsicherheit der Lage hatten sich viele Menschen für Reisen und Ausflüge im Nahbereich entschieden. Es zeugt nicht gerade von großer Weitsicht, wenn dem mit eingeschränkten Öffnungszeiten in Worpswede begegnet wird und die Besucher allüberall mit eingeschränkten Zeiten konfrontiert werden.
Kurz vor dem Worpsweder Bahnhof lädt ein Labyrinth mit Minotaurus zur Begehung ein.
Auch die Zionskirche, die wir hernach besuchten, war – Überraschung! – versperrt. Auf dem Friedhof besuchten wir das Grab von Paula Modersohn-Becker. Eine Skulptur von Bernhard Hoetger ziert ihr Grab.
An dieser Stelle brachen wir den Rundgang 1, wie er im Ortsplan Worpswede, der in der Touristinformation für den für einen einfachen Faltflyer doch recht übertriebenen Preis von 1 Euro zu haben ist, erst einmal ab.
Wir hatten nämlich einen Besichtigungstermin in der Galerie Schoppe vereinbart.
Die Galerie Schoppe
Herr Schoppe und seine Frau erwarteten uns und zeigten uns – überaus charmant – die Räumlichkeiten nebst den dort ausgestellten impressionistischen Malereien. Wir führten ein langes angeregtes Gespräch über die Kunst im Allgemeinen und die präsentierten Werke im Besonderen und verließen – solchermaßen angeregt -die imposante Villa, die die Galerie beherbergte.
Worpsweder Kunsthalle
Danach fanden wir noch Zeit und Gelegenheit, die Worpsweder Kunsthallezu besuchen, wo ich mich nett mit dem dort tätigen Mitarbeiter über ein von mir gekauftes Buch über matriarchale Kunst unterhielt.
Die Käseglocke
Die Käseglocke wurde 1926 unter der Bauherrschaft von Edwin Koenemann, nach dem Vorbild des Berliner Architekten Bruno Taut, erbaut. Leider war auch diese in der Woche geschlossen, was aber nicht allzu schlimm war, da die eigentliche Attraktion ja die Ansicht von außen ist.

Große Kunstschau-Worpswede
Für mich war das sicherlich einer der Höhepunkte meines Besuches in Worpswede.
Die Große Kunstschau gehört zu einem expressionistischen Gebäudeensemble, zu dem auch noch das Logierhaus und das Kaffee Worpswede gehört.


Die Häuser wurden von Bernhard Hoetger, der eindeutig zu den Künstlerpersönlichkeiten gehört, die ich favorisiere, in den Jahren 1925 – 27 entworfen.
Die Neue Große Kunstschau wurde 1971 an die Große Kunstschau Worpswede angebaut und zeigt Werke Worpsweder Künstler sowie Wechselausstellungen. Ursprünglich wurde hier Exponate aus der Sammlung des Kaffee-Händlers Ludwig-Roselius (Kaffee Hag) zur Vor- und Frühgeschichte gezeigt.
Ludwig Roselius war, genauso wie Hermann Bahlsen, ein Förderer von Bernhard Hoetger. Ursprünglich wurde Roselius vor- und frühgeschichtliche Sammlung in einem Ausstellungsraum für “Väterkunde” im Haus Atlantis in der Böttcherstraße in Bremen gezeigt. Ob im späteren “Roselius-Museum” später eben diese Exponante gezeigt wurden, konnte ich bisher noch nicht recherchieren. Das Konzept wird mit Sicherheit jedoch ein anderes gewesen sein. Das Atlantis-Haus mit dem Väterkundemusum in der Dachetage war schließlich als Tempel konzipiert, was sich auch heute noch spüren lässt.
Das Atlantis-Haus soll jeden Deutschen zum Nachdenken anregen und in die Frage vorlegen: Was weißt Du von der stolzen Vergangenheit Deiner Vorfahren, hast Du überhaupt jemals über die Zeiten Roms, Griechenlands und Ägyptens hinaus nachgedacht; weißt du, daß in der nordischen Tiefebene, an den Gestaden der Ost- und Nordsee, Kulturen begraben liegen, die Deine heutige Welt übertreffen, die nur darauf warten zum Licht erweckt zu werden?”
Roselius, Der Lebensbaum am Haus Atlantis in der Böttcherstraße, Faltblatt o. J. , Archiv der Böttcherstraße zit. n. Der Senator f.Kultur- und Ausländerintegration, Bremen (Hrsg.): Bernhard Hoetger. Sein Werk in der Böttcherstraße Bremen, S. 210)
Zwischen der Neuen Großen Kunstschau und der ursprünglichen Ausstellungshalle befindet sich im Innern des Gebäudekomplexes eine Verbindung. Die Rotunde, der kreisförmig angelegten eigentlichen Ausstellungshalle, verlangt quasi nach Kunst, die uns den Zugang zu Erhabenheit und Schönheit ermöglicht. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon luftige Tänzer in der Mitte des Kreises Rituale einer Kunst-Religion vollziehen, allein die im Raum, im Stil des unsäglichen Ai Waiwei aufgestellten Vasen, störten die fantastische Raumerfahrung.
Glücklicherweise ist dies nur eine zeitlich begrenzte Ausstellung, sodass ich hoffen kann, dass der Raum zu anderen Zeiten adäquater bespielt wird.
Der Barkenhoff/Heinrich Vogeler Museum
Im Garten des Barkenhoffs saßen vor allen junge und ältere Frauen, die an einer Staffelei bemüht waren, die märchenhafte Architektur des Hauses auf Leinwand zu bannen.
Ich selbst mag die märchenhaften Bilder von Heinrich Vogeler, weniger die, die während seiner sowjetischen Periode entstanden sind. Zwar zeigen diese einen futuristischen Bildrythmus, was ich durchaus goutiere, die Ausrichtung aber auf agitatorisch-propagandische Themenstellungen, die die Arbeiterschaft in Hinblick auf eine sozialistische Gesellschaftsordnung hin erziehen soll, stößt mich – vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Verwerfungen – zutiefst ab. Jedoch – dem bin ich mir bewusst – tue ich Heinrich Vogeler Unrecht, wenn ich zur Beurteilung dieser Werke gegenwärtige Maßstäbe anlege, kann mich andererseits dem aber nicht vollständig entziehen.
Jedenfalls ist Heinrich Vogeler, unabhängig von allen historischen Einordnung ein großartiger Maler mit einer vielschichtigen Biographie gewesen mit dem ich mich gerne noch ausführlicher beschäftige.
Bei so vielen künstlerischen Inspirationen genossen wir erst einmal das fantastische Abendessen im Hotel, um dann am nächsten Morgen unsere Kunst-Streifzüge fortzusetzen.
Haus im Schluh
Das Haus im Schluh besuchten wir gleich nach dem Frühstück, standen aber mal wieder vor verschlossenen Toren, sodass wir uns spontan dazu entschieden erst einmal nach Fischerhude zu fahren, um dann am Nachmittag noch einmal zum Museum zurückzukehren.
Die Rückkehr am späten Nachmittag hat sich definitiv gelohnt.
Das Haus im Schluh ist der Wohn- und Arbeitsort von Martha Vogeler und ihrer drei Töchter. Nach der Trennung von Heinrich Vogeler baute sie sich dort, mit Hilfe der finanziellen Unterstützung des Duisburger Kaufmann Paul Lehmann, eine eigenständige wirtschaftliche Existenz mit einer Handweberei und einer Sammlung von volkstümlichen Exponaten auf. Sie malte auch Blumen- und Kakteenbilder.
Im Haus im Schluh sind auch Werke von Heinrich Vogeler zu sehen.
Fischerhude
In Fischerhude kann man eine Ahnung bekommen, wie Worpswede, das ja keinen wirklichen Mittelpunkt mehr hat auch einmal ausgesehen haben mag.
Fischerhuder Galerie und Dorfbuchhandlung
Beim Schlendern durch das pittoreske Dorf führte mich mein Weg in diese hübsche Galerie mit Buchhandlung. Auch das Innere ist sehenswert, befinden sich die Räumlichkeiten doch in einer ehemaligen Kutscherscheune einer Gastwirtschaft. Die Auswahl an Büchern, gerade über die Künstler in der Region – einst und jetzt -, verführte mich u. a. zum Kauf eines opulenten Bildbandes über Heinrich Vogel. Die adäquate Zusammenstellung wurde nur durch ein Büchlein über Greta Thunberg gestört, was aber wohl den überreizten politischen Klima in Deutschland geschuldet sein wird.
Otto-Modersohn-Museum
Die Straße bis zum Otto-Modersohn-Museum zieht sich schier endlos hin. Der Besucher wird dann aber durch beeindruckende Bilder von Otto-Modersohn belohnt, sodass sich der eventuelle Fußmarsch sicherlich gelohnt hat. (Nun ja … ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich dem Auto den Vorzug gegeben habe!) Das Museum selbst ist größer als ich im Vorfeld vermutet hatte.
(Fortsetzung folgt!)