5. Oktober 2025

Spielend scheitern!

Christoph Schlingensief soll – laut TAZ – sein Scheitern in Afrika in seiner neuesten Inszenierung “Via Intolleranza II” collagenartig zum Thema gemacht haben.

Scheitern in Afrika – das wundert mich nicht. Als ich erstmals von Schlingensiefs Operndorf in Ouagadougou gelesen hatte, war mein erster Impuls: Da kommt also wieder so ein Europäer, ist fasziniert von der afrikanischen Kreativität und scheinbaren Lebenslust, baut dort irgendetwas im roten Staub auf, um dann letztendlich mit Lethargie, unermesslichen Erwartungshaltungen und einer Einstellung konfrontiert zu werden, die nur nehmen möchte (schließlich sind die Europäer an der afrikanischen Misere schuld, eine Meinung, die ich in Westafrika häufig gehört habe), letztendlich aber mit den Gaben nichts anzufangen weiß oder auch nichts anfangen will und alles schließlich wieder dem Verfall preisgibt.

In Bakau in Gambia gibt es beispielsweise einen Kinderspielplatz, der von irgendwelchen Holländern – wahrscheinlich mit besten Absichten – gesponsert wurde.

Jetzt stellt sich als Erstes die Frage, wozu die Kinder dort einen Kinderspielplatz benötigen, wo doch die ganze Umgebung wie ein “Abenteuerspielplatz” aussieht. Ein Kinderspielplatz in einer Gesellschaft, die Kindheit in der europäischen Form (also als behüteten Schonraum, der andererseits aber von Leistungszwängen einer schwindenden Mittelschicht kontaminiert ist, was sich dann wiederum in diversen Frühförderungsprogrammen manifestiert) nicht kennt, hat schon einen gewissen grotesken Reiz. Als ob dies alles nicht nun schon bizarr genug wäre, erhebt sich neben dem Kinderspielplatz eine wilde Müllhalde, was letztendlich auch nur ein Zeichen für die Wertschätzung ist, die dem Gutmenschen-Projekt von den Bewohner/innen beigemessen wird.

Plakatmalerei
Kreativität in Afrika, am Beispiel eines Plakatmalers in Gambia

Dieser Kinderspielplatz ist für mich ein mächtiges Bild (sehr viel zeichenhafter als all die elektrischen Wasserpumpen, die mangels Wartung in der feuchten Luft dahinrosten), was aufzeigt, wie all die netten, europäischen Bemühungen in Afrika letztendlich dem Verfall preisgegeben sind.

Schlingensief ist nach Afrika gegangen, um dort seinen Traum von einer Einheit von Kunst und Politik in die Tat umzusetzen. Dies ist sicherlich eine Vision, die es verdient, in die Realität umgesetzt zu werden, und dies nicht nur in Afrika. Aus einer Metaperspektive heraus stellt Schlingensief sich nun in der aktuellen Inszenierung selbst die Frage, was ihn (hier wohl stellvertretend für alle “Gutmenschen”) dazu bewegt (hat), Afrika helfen zu wollen, wo doch die Industrienationen vor ebenfalls großen und unlösbar erscheinenden Problemen stehen und eigentlich genug mit sich selbst zu tun hätten. Was gibt den Europäern also das Gefühl einer Dominanz, die sie die Rolle des Retters/der Retterin für einen ganzen Kontinent übernehmen lassen möchte?

Ich habe “Via Intolleranza II” leider nicht gesehen, weiß also nicht, ob in der Oper eine Antwort lesbar ist, kann allerdings für mich die Frage so beantworten, dass Afrika erst einmal “fremd” ist und so eine Projektionsfläche bietet, die alles möglich erscheinen lässt. Außerdem ist Afrika, gerade dadurch, dass es weitgehend eben nicht industrialisiert ist, noch von einer Kreativität beseelt, die das scheinbare Versprechen abgibt, dass hier möglich ist, was in Europa schon durch zementierte Vorschriften in der Planungsphase blockiert wird. Dass all die “Hilfsprojekte” dann letztendlich aus anderen Gründen zum Scheitern verurteilt sind, dass sie also nicht viel mehr als ein lustiges Spiel im Sand sind, ist letztendlich sympathisch-skurril. Afrika ist eine Chimäre und entzieht sich jeglicher, wenn auch gut gemeinter, Erwartungshaltung. Afrika ist eben “anders”.

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