
Plotin, einer der Neuplatoniker, unterscheidet die Welt in drei Schichten. Ganz oben ist der Geist, aus dem die Welt fließt. Er verfestigt sich zur Materie, die weit entfernt ist vom Geist. Die Götter befinden sich in der Zwischenebene und sollen uns “auf” helfen. Nach Plotin lautet nämlich das finale Ziel, dass der Mensch das “Eine”, also den numinosen Geist erreicht und damit eine mystische Symbiose bildet, um letztendlich den ewigen Wiedergeburten zu entgehen.
Wenn jetzt der Mensch die Götter beschwört (Theurgie) ist dies nach herkömmlicher Auffassung weiße Magie, wenn er sich aber beispielsweise mit der Totenbeschwörung beschäftigt (Goetik), dann gilt das als böse, schließlich verbinden wir uns dann mit Geistern, die den Aufstieg nicht geschafft haben. Happy Halloween!
Divination wiederum wäre in diesem System weiße Magie, denn schließlich greife ich damit das “Feld” ab, was zum Aufstieg zum Einen dienen soll. Die Götter geben mir quasi “Zeichen”. Bewusste Veränderung der Divinationsergebnisse wären dann aber wiederum schwarze Magie, genauso wie selbstverständlich Flüche.
Alles sehr interessant – schließlich hat der Neuplatonismus seinen Einfluss auf die mittelalterliche Philosophie gehabt, die wiederum die christliche Heilslehre in eine neuplatonische Schablone umschrieb. Unterschwellig scheint – sozusagen als christliches Kulturgut – die eben aufgezeigte Definition von weißer und schwarzer Magie bis heute zu wirken.
Jedenfalls werden nun nicht nur die Aufklärungsschriften der christlichen Fundamentalisten gegen das Halloween-Spektakel verständlich, auch können wir esoterisch-spirituelles Handeln nun im Sinne von Plotin deuten. Und das bringt Überraschungen:
Wenn jetzt nämlich die Geomanten ein Mantrasingen für die Erdheilung zelebrieren ist das neuplatonisch “eng” gesehen als “schwarze” Magie zu interpretieren, da es sich dabei um einen bewussten Eingriff in das göttliche Feld handelt. Genauso ist jegliche Form von Reiki zu beurteilen und rein performativ betrachtet ist ein gut gemeinter Segen genauso eine magische Operation wie ein böser Fluch.
Dies wird die sogenannten “Lichtarbeiter” sicherlich erstaunen, wähnen sie sich doch auf der Seite der Guten.
Die Grenzen zwischen “weiß” und “schwarz” schwinden also, besonders dann, wenn wir jetzt beispielsweise auch noch versuchen wollen, die Kerzenmagie der katholischen Kirche einzuordnen. Dabei handelt es sich eindeutig um schwarze Magie.