Gestern ging es hoch hinauf zum Kyffhäuser, denn schließlich feiert Barbarossa seinen 900sten Geburtstag und ihm zu Ehren wollte ich einmal wieder beim Denkmal vorbeischauen.
Das Auto parkte ich in der Nähe der Jugendherberge in Kelbra. Von dort ging es (sehr) steil hinauf, sodass ich erst einmal beim gestürzten Hindenburg pausieren musste, bevor ich das letzte Wegstück zur Burg bewältigen konnte.

Am vergangenen Wochenende fand am Kyffhäuser ein Mittelalter-Spectaculum statt, dass einiges an Gaukeleien und Unterhaltungen bot. Sogar ein feuerspeiender Drache wurde von mir gesichtet. Untere Burg (vor dem Eingangsbereich) ließ ich unbeachtet. Auch Bergfried und Denkmal bestieg ich nicht, schließlich war ich nicht zum ersten Mal hier. Den Blick in den Brunnen konnte ich mir jedoch nicht entgehen lassen. Mit einer Tiefe von 176 m ist dieser der tiefste Burgbrunnen der Welt.

Die Kyffhäuser-Sage

Barbarossa ist, ähnlich wie die Herren im Petersberg zu Goslar (lies hier!) ein im Berg Schlafender, der darauf wartet, erneut in seiner ganzen Herrlichkeit aufzuwachen. Der Sage nach ertrank Friedrich I, auch genannt Barbarossa, während eines Kreuzzuges, und soll sich hernach mit seinen ganzen Hofstaat in den Kyffhäuser zurückgezogen haben. Er soll dort an einem Tisch sitzen. Sein Bart, der durch diesen hindurchgewachsen ist, umschlingt diesen schon zweimal. Alle hundert Jahre schickt Barbarossa einen Zwerg hinaus, der nachsehen soll, ob die Raben noch um den Berg fliegen. Wenn dies der Fall sein sollte, dann kehrt er in das Innere des Berges zurück. Die Zeit zur neuen Aufrichtung seines Reiches ist noch nicht gekommen.
Historisch betrachtet zerfiel das Stauferreich erst nach dem Tode von Friedrich II., der mir ja schon in Apulien begegnet war (hier!). Die Kyffhäusersage bezog sich ursprünglich auf Friedrich II., nicht auf Friedrich I., seinen Großvater Die Sage und die mit ihr verbundene Sehnsucht nach einem einheitlichen Staat wurde schon im Mittelalter von Friedrich II zurück auf Friedrich I, also Barbarossa, übertragen.
Das Heilige Römische Reich deutscher Nation unter Friedrich II. umfasste das Gebiet von Nord- und Ostsee bis hin zur Südspitze Italiens, nur vom Kirchenstaat, der unter der Herrschaft des Papstes fiel, unterbrochen. Kein Wunder also, dass sich die Menschen, nach dem Zerfall des Reiches, nach der Ordnung zurücksehnten, die mit dem Großreich verbunden war. Ihren Wunsch projizierten sie auf den legendären Kaiser Barbarossa.
Unschwer lässt sich erkennen, dass sich hinter Barbarossa Odin verbirgt. Die Raben deuten darauf hin. Der Allvater nämlich wird von zwei Raben begleitet, die gemäß der Überlieferung der Edda Hugin und Munin heißen. Hugin steht dabei für die Denkkraft und Munin für die Erkenntnis und Erinnerung.
Ein neues Reich soll entstehen
Wilhelm I. wollte ein neues Kaiserreich errichten, dass mit dem untergegangenen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation vergleichbar gewesen wäre. Deshalb sitzt er, als ein wiedergekehrter Barbarossa, über diesem auf einen Pferd und hat – genau genommen – damit eine Apotheose vollzogen.

Über den Kyffhäuser, auch unter geomantischen Aspekten, habe ich bereits schon hier geschrieben.
Der Bauernkrieg in Bad Frankenhausen
Bevor ich am Sonntag Barbarossa besuchte, war ich noch im Panorama-Museum in Bad Frankenhausen, wo ich mich schon – rein architektonisch – in die Zeit der DDR zurückversetzt fühlte. Das Monumentalgemälde „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ von Werner Tübke, im altmeisterlichen Stil gehalten, thematisiert den Bauernkrieg, der für die sozialistische Gesellschaft einen zentralen Mythos darstellte.
Auf dem ehemaligen Gelände der bedeutendsten Schlacht des Krieges (Schlacht bei Frankenhausen), befindet sich das Museum. Ich war aber nicht nur wegen Werner Tübkes beeindruckenden Gemälde, das sich mit Hilfe eines Audio-Führers gut erschließen lässt, gekommen, sondern auch wegen der Sonderausstellung “Jenseits von Eden” mit herrlichen Ölgemälden von Hans-Peter Müller, der, vergleichbar mit Werner Tübke, ebenfalls altmeisterlich figurative Darstellungen gekonnt in Szene setzt. Die Sonderausstellung ist noch bis zum 16.10.2022 zu sehen. Der Katalog ist mit 35 Euro recht teuer, aber immerhin habe ich nun die Gelegenheit im Nachklang die Bilder noch einmal in Ruhe zu betrachten, wobei, das wird mir immer deutlicher, ein Druck niemals an das Original heranreichen kann.