Gestern verschlug es die Wildfrauenhaus-Wandergruppe (bestehend aus immerhin zwei Personen!) nach Friedrichsruh, einem Ortsteil der Gemeinde Aumühle, schon in Schleswig Holstein gelegen, jedoch nicht allzuweit von Hamburg entfernt. Wie uns ein Spaziergänger stolz verkündete, der einzige Kreis in Deutschland der noch offiziell die Bezeichnung “Herzogtum” führen darf.
Wir wählten diesen Ort aus, weil meine Wander-Begleiterin sehr an Hünen- und Hügelgräber interessiert ist und sich diese vom Bahnhof Aumühle in einer recht anspruchslos-gemütlichen Wanderung erschließen ließen.
Nebenbei stießen wir dabei in das Epi-Zentrum des Bismarcks-Kultes und der noblen Lebensweise, jenseits von prekären Verstrickungen und Integrationsproblemen vor, die sich dort – alarmgesicht und videoüberwacht – ein wohlfeiles Leben in der Metropolenregion Hamburg leisten kann.
Und so klebte meine Freundin dann doch gleich an einem Bretterzaun, der den Blick auf ein eingeschlossenes Waldstück und – das kann man nur vermuten – ein standesgemäßes Häuschen verdeckte. Hier – das ergab dann meine kleine Recherche – wohnen die Nachkommen der Familie von Bismarck.
Eine der ihren hat dann auch – nicht ganz so stattlich – das folgende Schildchen in Laminierfolie für den gemeinen Spazierbringer und potentiellen Spraykünster und Vandalen anbringen lassen, das uns eine Bahnunterführung versprach, die dem ästhetischen Ideal der “Schönheit” verpflichtet ist.
Konfrontiert waren wir dann aber mit der Fortsetzung des Bretterzauns, der ja schon das Anwesen der Bismarck-Familie vor neugierigem und teilhabendem Blicken schützen sollte.
Ich hoffe, dass das alles von Elisabeth von Bismarck nicht wirklich ernst gemeint war. Als ironisch-satirisches Statement jedoch war die Kombination aus der Ankündigung mit großem Namen auf kleinem Schildchen und der banalen Bretterzaun-Bemalung irgendwie lustig, wenn da nicht der schale Beigeschmack der Veräppelung bei mir geblieben wäre.
Auf der anderen Seite erwartete uns ein kleines Denkmal, das von gelebter Stein-Magie zeugte.
Die Aufschrift verrät es. Hier hatte man eine Verbindung zwischen Grotenburg und dem Sachsenwald, der ja Friedrichsruh umgibt, hergestellt. Dies tat man, indem man einen Stein der Grotenburg, die ursprünglich vielleicht das kultische Zentrum der Externsteine schützen sollte (lies hier) und die seit 1875 mit dem Hermannsdenkmal bebaut ist, nach Friedrichsruh versetzte. Solch eine magische Handlung stellt eine Teilhabe an dem in der Zeit um 1900 beliebten Hermann-Arminus-Kult her und beschwört nationale Größe, denn so wie einst Hermann die Römer in die Flucht schlug, so soll nun Deutschland über Frankreich triumphieren. In Form einer gelebten Mythenbildung wird nun die angenommene Tradition der Stärke und des Widerstandes auf dem Heilsbringer Bismarck übertragen , der so zur nationalen Größe stilisiert wurde.
Das diese Mythenbildung bis heute seine Nachwirkungen zeigt, veranschaulicht die kleine Devotionalen-Ausstellung des Bismarck-Museums, das uns leider den Weg zum Bismarck-Mausoleum versperrte.
Ein Jagddenkmal erinnert wohl daran, dass der Reichskanzler Otto von Bismarck im Sachsenwald der Jagd nachgegangen ist. Ich halte es übrigens für bildhauerisch sehr gelungen, schließlich erscheint es mir sehr lebendig, fast expressionistisch, zu sein.
Und zum Kontrast zu solch brachialer Natürlichkeit, gibt es hier noch das Bild eines kleinen Fuchses, der am Bismarckmuseum Wache hält.
Zwischen Jagddenkmal und Kletterpark befindet sich dann ein Hügelgrab, das wohl in der Zeit der Renaissance als Aussichtsplattform genutzt wurde.
Von hieraus startete dann unsere eigentliche Wanderung bis zum Riesenbett in Dassendorf, gleich gegenüber dem örtlichen Golfclub. Dabei musste ich feststellen, dass mir der Winter noch fest in den Knochen saß und ich mich doch recht schwerfällig durch den Wald bewegte.
Beim Riesenbett angekommen, wanderten wir zurück nach Aumühle, wo wir dann – nachdem wir unverschämt teure, und alarmgesicherte Villen bestaunen durften, die bei mir die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit aufkommen ließen, einen überaus noblen Bismarckturm besuchten, der mittlerweile eine Bücherei beherbergt.
Mehr über Bismarcktürme und meine Gedanken dazu, gibt es hier zu lesen.
Zum Bahnhof wurden wir dann von einer netten Ortskundigen gefahren. Überhaupt muss ich erwähnen, das wir während unserer Wanderung ausgesprochen freundliche Begegnungen hatten. Gerne wieder.