5. Mai 2024

“Heikles Erbe”

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Die Ausstellung

Heikles Erbe (30. September 2016 bis 26. Februar 2017)

im Landesmuseum verstört und verärgert mich gleichermaßen.

Zu Beginn läuft auf einem Bildschirm in Endlosschleife eine Befragung hannoverscher Passanten zur Kolonialgeschichte, die historisches Halb- und Viertelwissen von sich geben, was überwiegend Schulbuch konform  und politisch korrekt zu sein scheint.  Ich höre nur mit halber Aufmerksamkeit hin und schaue mir gleichzeitig eine Wächter-Figur an, die  in der ersten Vitrine steht und mit der die Ausstellung auch in der Öffentlichkeit wirbt.

Hellhörig machte mich dann ein älterer Herr, der in der Befragung den guten Ruf Deutschlands als Kolonialmacht in eben diesen Ländern betont,  schließlich bin ich Töne,  die der herrschenden Geschichtsauslegung widersprechen nicht mehr gewöhnt. So war ich denn verwundert, dass sein Redebeitrag präsentiert wird, allerdings  – so erkläre ich es mir im Nachhinein –  soll sein Statement wohl den Part des Ewig-Gestrigen übernehmen, der noch nicht gelernt hat, zu welchen Schrecknissen Deutschland als Kolonialmacht fähig gewesen war.

Mich erinnerte seine Rede an einem ebenfalls älteren Herren, den ich in Kamerun begegnet war und der ebenfalls Deutschland als Kolonialmacht im Vergleich zu den Engländern und Franzosen lobte. Die Deutschen hätten zumindest Brücken und eine Bahnstrecke gebaut, also nicht nur aus dem Land herausgeholt, was herauszuholen ist, sondern auch Investitionen getätigt.

Dass dieser positive Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte im Fortgang der Ausstellung aber fort-pädagogisiert werden soll, wird bei der Betrachtung der folgenden Vitrine deutlich, wo allerlei  (Ich traue es mich kaum zu schreiben ….so böse das Wort !) -“Neger”-Figuren davon Zeugnis ablegen sollen, wie die Deutschen doch einst rassistisch waren. Der Vitrine gegenüber  gibt es dann einen  Text-Verweis auf die Völkerausstellungen in den Zoologischen Gärten zu Anfang des letzten Jahrhunderts, wobei kein Wort darüber fällt, dass deren Darsteller ein recht gutes Einkommen durch ihre Zurschaustellung erzielten, sodass ihnen, im Anschluss an ihre Tournee, ein komfortables Leben in ihren Heimatländern möglich war.

Die Welt ist eben nicht so schwarz-weiß, wie es die modernen Museumsdidaktiker und Kuratoren es gerne hätten.

Weiter ging es dann, etwas uninspiriert und systematisch, durch die Kolonialgeschichte. Jeder ehemaligen Kolonie ist ein Abschnitt gewidmet, in der die ethnologischen Objekte des Landesmuseums gezeigt werden. Vieles davon versteckt sich normalerweise im Magazin und ist nicht zu sehen.  Informationstafeln klären über diejenigen auf, die die Objekte den Museum einst geschenkt haben, wobei besonders gerne Straf-Expeditionen Erwähnung finden.

Mittlerweile gewöhnt daran, dass das Negative betont und das Positive vergessen wird und so ein recht einseitiges Bild vermittelt wird, was nicht vermitteln kann,  was die damaligen Beweggründe waren, erfreue ich mich an der Präsentation der Objekte. Die können schließlich nichts dafür, dass die Ausstellung ideologisch gerahmt ist.

Gerne hätte ich euch hier einige der Exponate gezeigt, doch der Museumswärter machte mich darauf aufmerksam, dass das Fotografieren in der Sonderausstellung nicht erlaubt sei. Über Sinn und Zweck dieses Verbotes konnte er mir keine Auskunft geben, ich vermute aber, dass der Verkauf des Kataloges  vorangetrieben werden soll?

Auf einem weiteren Bildschirm ist ein Afrikaner und eine Chinesin zu sehen, die über nachkoloniale Erfahrungen sprechen, während ich mir eine Vitrine mit Devotionalien der Unabhängigkeitsfeier von Ghana anschaue.

Eigentlich hätte hier der logische, wenn auch etwas konstruierte Schlusspunkt  der Ausstellung sein müssen. Konstruiert deshalb, weil zumindest Ghana keine deutsche Kolonien gewesen war (nur Teile vom ehemaligen  deutschen Togo haben sich  später Ghana angeschlossen)  und es zuvor thematisch ausschließlich um die deutsche Kolonialgeschichte gegangen war, die dem Landesmuseum eben ihr “heikles Erbe” hinterlassen hatte. Ich hätte die Ausstellung , wenn sie hier zu Ende gegangen wäre, im Zwiespalt verlassen, einerseits erfreut über die gesehenen Objekte und andererseits verstört darüber, dass die Geschichte so einseitig erzählt und der deutsche Schuldkomplex immer weiter in die Vergangenheit ausgedehnt wird.

Doch leider war die Ausstellung hier noch nicht zu Ende. Sie führte mich nun – ohne Vorwarnung und Erklärung – nach Hawaii,  wahrscheinlich um koloniale Kontinuitäten und deren zeitgenössischen Umgang damit zu thematisieren. Schließlich ist Hawaii von den Amerikanern annektiert und der USA einverleibt worden, was bei der einheimischen Bevölkerung – bis heute – Protest hervorruft.

Ich wurde nun mit konzeptueller Widerstandskunst konfrontiert, die auch nicht besser zu sein scheint, als die Konzeptkunst anderswo  (und ja, ich mag keine Konzeptkunst!).

Zum Werk von April A. H. Drexel, In flagrant delicto, was irgendwelche bedruckten Plastikkärtchen zeigt, steht folgender Erklärungstext:

Diese Serie visueller Texte versucht auszuloten, aufzudecken und auszusprechen, wie der Raub unserer Identität sich auswirkt auf das Land unserer Vorfahren, auf die Nation, auf politische Rechte, sozio-ökonomische Nachhaltigkeit, kulturelle Ausstrahlung und Menschenwürde.

Und während ich das las, fühlte ich mich selbst (und von den Ausstellungsmachern wohl didaktisch ungeplant) – in Deutschland – kolonialisiert und entfremdet. Fremd im eigenen Land, bedingt durch eine globalisierte Wirtschaft und deren Lobbyisten, die Einwanderungsströme in unser Land lenken, die in rasantem Tempo mein Leben und das all der anderen verändert. Ungefragt.

Doch die Ausstellung soll mich beruhigen.  Homes Bhabiba (wer immer das ist) wird großflächig zitiert und ich lese:

Der Prozess kultureller Hybridität lässt etwas anderes entstehen, etwas Neues und Unbekanntes, ein neues Feld in dem Bedeutung und Repräsentation verhandelt werden.

Das ist richtig, aber soll ich mich darüber freuen? Oder soll ich den Verlust betrauern und dagegen in Widerstand gehen, zumal das Neue nicht unbedingt das Bessere sein muss? Darf ich den favorisierten multikulturellen Gesellschaften  mit Skeptik begegnen, auch weil ich die Unterschiede der vielfältigen Volksgruppen mag und ich beispielsweise nicht in Deutschland, Indien und Paraguay die selben globalisierten Finanzsklaven sehen möchte, wie sonst auch überall auf der Welt? Während ich darüber noch nachdenke, macht mir eine weitere Tafel deutlich, dass dieses Festhalten  am  Eigenen überwunden gehört.  Dort steht:

Die Wissenschaft hat sich verändert, doch in der Gesellschaft bleiben alte Denkmodelle oft noch lange bestehen. Den häufig verwendeten Begriffen ‘Entwicklungsländer’ und ‘Entwicklungshilfe’ unterliegen zum Beispiel evolutionäre Ansichten: es soll zu einem europäischen “Bestzustand” hin entwickelt werden. Auch rassistische Denkweisen sind gerade in der Debatte um Flüchtlinge immer wieder zu hören. Noch immer wird von Kulturkreisen gesprochen und es werden dabei vereinfachen Einteilungen vorgenommen.

Verloren im Museum. Die Vereinfachungen, die hier angeprangert werden, sind doch das Programm der Ausstellung!

Ganz schlimm wird die ideologische Beeinflussung und Pädagogisierung beim Hören des Beitrages, der den Audioguide zugefügt ist und der sich auf den letzten Präsentationsraum bezieht. Offen wird hier zugegeben, dass die Dekonstruktion vorherrschendes Ziel ist und sich das Museum als Handlanger von Globalisierungsstrategien  sieht, dies alles (meine Interpretation!)  unter der Vorgabe des moralisch “Guten”. Der eurozentrische Blick soll  genauso aufgelöst werden, wie die eigene Identität und so dürfen wir uns dann alle als fröhlich Kolonialisierte und damit Gleichgestellte fühlen. Schöne neue Welt eben!

Dieses Machtungleichgewicht aufzulösen und bestehende Herrschaftsverhältnisse zu demonstrieren stellt eine herausragende Aufgabe der ethnologischen Museen der Gegenwart dar. Das Museum als Kontaktzone zwischen verschiedenen Kulturen in denen statt nationaler Grenzen die Vernetzung der Welt, die kulturelle Vielfalt und der Wandel statt hegemonialer Diskurse stattfinden ist ein Museum der Zukunft.

Anbei noch ein kleiner Blick in mein Fotoalbum, was u.a. deutsche Hinterlassenschaften in Kamerun zeigt.

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