18. Mai 2024

Jetzt war ich auch noch auf der Documenta Fifteen!

Kurz vor Schluss (die Documenta geht noch bis zum 25. September 2022) machte ich mich auf dem Weg nach Nordhessen. Meine Erwartungshaltung war gering, sehe ich doch die vorrangige Aufgabe der Kunst weniger im politischem Aktivismus, als im Dialog mit höheren Welten. Kunst ist ein Recherche-Instrument, um sich weiterzuentwickeln. Als solches kann sie heilend wirken, keinesfalls sollte sie aber ein Element der Volkserziehung sein. Das verabscheue ich. So meine Meinung.

Museum Fridericianum mit verkleideten SĂ€ulen. Rechts im Bild ist auch eines der Hornissennester zu sehen.

Der Schock!

Documenta-Mindmap

Obwohl meine Erwartungserhaltung insofern gering war, sah ich doch wenig Resonanz zwischen dem, was fĂŒr mich Kunst bedeutet, und dem, was auf der Documenta gezeigt werden sollte, schockierte mich die “Ausstellung” im Fridericianum dann doch. Schon von außen war die Ästhetik der klassizistischen Architektur durch an Street-Art angelehnte SĂ€ulenverkleidungen verschandelt. Hornissennester, wohl aus Plastik, klebten zwischen dem nun gar nicht mehr ehrwĂŒrdigen SĂ€ulen.

Im Innern empfing mich ein Aktionsbereich, der mit SperrmĂŒllsofas und Ikea-Outfits, GetrĂ€nkekĂ€sten und aus Lattenrosten gebastelten Sitzgelegenheiten dekoriert war. Wenn man die einst wĂŒrdevollen Hallen betritt, geht es links in dem Kinderbereich, der sich aber von dem fĂŒr Erwachsene nur dadurch unterscheidet, das im selbigen große Mindmaps an Transportkisten, die als Raumteiler fungieren, aufgestellt sind. BĂŒchertische sollen dazu animieren, sich Gedanken ĂŒber die Ungerechtigkeiten der Welt zu machen, sodass man dann ausreichend vorbereitet ist fĂŒr die Roma-Kunst in der oberen Etage. Das ist zwar hĂŒbsch anzusehendes Kunsthandwerk, aber mehr eben auch nicht. Eine FĂŒhrerin, “Sobad” genannt, was ja auch ein euphemistischer Begriff ist, denn es bedeutet “Freundin”, spricht von all den Diskrimierungen, die die Romas ausgesetzt sind. Sie verweilt in ihren ErklĂ€rungen im ewigen Opfer-Narrativ, wĂ€hrend ich auf ein großformatige Kunstwerk starre und dabei das Stereotyp einer erotisierenden Roma-TĂ€nzerin erblicke, die hier wohl nur deshalb erlaubt ist, weil sie eben von einem Roma-KĂŒnstler, nicht von einem “Weißen”, gemalt worden ist.

All das ist schon scheinheilig.

lumbung

Das auf der Documenta praktizierte Konzept nennt sich “lumbung”. Das Wort steht fĂŒr eine kommunale Reisscheune und gaukelt Armuts-Poesie vor, die wahrscheinlich mit der RealtiĂ€t von globalisierten Spaltungen in Slums und “gated communities”, weder in den globalisierten Mileus Indonesien noch tragende Relevanz hat, noch in einer sich degenerierenden Industrienation.

Gastronomie mit indonesischem Lokalkolorit oder auch nur eine Form von Fake Reality?

Diese freut sich aber, wenn sie denn durch WellblechhĂŒtten gehen kann und dadurch eine kreative Energiezufuhr aus den Slums des SĂŒdens erfahren kann. Gerade in der Improvisation, die aus Armut entsteht, liegt ja viel KreativitĂ€t verborgen, nur, das ist der Haken dabei, ist die Romantisierung von Slum-Kultur in Kassel nicht genau das, wogegen sich das KĂŒnstlerkollektiv wendet, nĂ€mlich rassistisch und eurozentriert? Dteht es nicht gar in der Tradition der Völkerausstellungen des vergangenen Jahrhunderts? Da hĂ€tte es Anlass fĂŒr Reflexionen geben können.

Im AusstellungsfĂŒhrer, ĂŒbrigens nur in englischer Sprache gehalten, lese ich:

“lumbung is a concrete practice whose principles of collectivity resource building, and equitable distribution are pivotal to ruangrupa’s curatorial work and impact the entire process of document fifteen. The collectives way of working is based on an alternative, community – orientated sustainability model in ecological, social and economic terms. Resources such as time, money, ideas and knowledge are shared collectively.”

Und so hat dann ein Kollektiv aus Nairobi, das auf der Karlswiese vor der Orangerie eine begehbare Installation aus MĂŒll aufgebaut hat, um auf den Transport von Elektroschrott und Textilien in die LĂ€nder des globalen SĂŒdens aufmerksam zu machen. Das ist fĂŒr Schulklassen sicherlich eindrucksvoll, ansonsten aber belanglos. DarĂŒber haben wir schon vor vierzig Jahren gewusst, dass Textilimporte nach Afrika verwerflich sind, geĂ€ndert hat es nichts. Aktuell wird die Diskussion ĂŒberholtvon der Produktion von minderwertigen, aber neuwertigen Textilien, interessanterweise nicht nur in China, sondern auch in Äthiopien.

Die pÀdagogisierte Kunstausstellung!

Gut gemeinte PĂ€dagogik ist es, was schon mehr ist, als das, was der kleine Pavillon vor dem Fridericianum bietet. Dieser macht nĂ€mlich auf das Schicksal der Aborigeens aufmerksam und kĂ€mmt, in einer selbstgefĂ€lligen Opfer-Lyrik, alle Weißen ĂŒber einen Kamm. Alles TĂ€ter und mit wachsender Pigment-AnhĂ€ufung wird man auf dieser Documenta anscheinend zum Opfer und kann MitgefĂŒhl einfordern.

Mich ekelt es. Diese Fixierung auf Hautfarben ist Rassismus pur, nur anscheinend bemerkt man es nicht. Man wÀhnt sich ja auf der Seite der Guten, die sich im Kollektiv verstecken.

Rassismus auf der Documenta




Das missverstandene KĂŒnstlerkollektiv “ruangrupa”

Den indonesischen KĂŒnstlerkollektiv “ruangrupa” mache Ich vorrangig aus all diesen WidersprĂŒchen und Bruchstellen keinen Vorwurf, vielmehr denjenigen, die ihnen eine Plattform gegeben haben und dann feststellen mussten, dass der forcierte Aktivismus zwar in die eigene Kunstauffassung als politisches Erziehungsmittel passte, dann aber erschrocken feststellen mussten, dass das indonesische Bildprogramm auch antisemitische und israelfeindliche Darstellungen impliziert. Dadurch zeigt “ruangrupa”, dass sie sich eben nicht gemĂ€ĂŸ der hier herrschenden Ideologie bewegen, sondern innerhalb ihres eigenen Kontextes und dabei Stereotype nutzen, die, auch bedingt durch die amerikanische Filmindustrie, lĂ€ngst global sind, in Deutschland aber bestenfalls als unpassend, schlimmstenfalls als blasphemisch gedeutet werden.

Gebastelte StĂŒhle mit Kabelbindern

Die Junge Freiheit schreibt dazu:

“Dank Hollywood sind die Nazi-Deutschen nicht nur als Verbrecher, sondern als Inbegriff des Bösen schlechthin festgelegt, so wie die Juden als die Opfer schlechthin gelten. Das Hakenkreuz, die SS-Rune, der Wehrmacht-Helm, die bekannten Fotos aus dem Ghetto und den befreiten KZs sind zu Metaphern geworden, die weltweit ohne Kommentar und Fußnote verstanden werden.

Nicht gelungen ist es hingegen, die Heiligung des Holocaust global durchzusetzen. sie ist ein auf den Westen beschrĂ€nktes Projekt geblieben.” (JF 33,22)

In islamischen LĂ€ndern gilt die Nation Israel zumeist ganz und gar als “böse” und israelische Anspielungen werden folglich im indonesischen Wimmelbild eben auch als Symbol fĂŒr das Böse genutzt. ZusĂ€tzlich fließt dann noch die Ikonographie indonesischer Bildergeschichten genauso wie EinflĂŒsse des Wayang-Schattentheater mit ihren ĂŒberzogenen Charakterdarstellungen in die Bildsprache ein und voilĂ : Da ist der Documenta-Skandal kreiert, der aber durchaus absehbar war und auf dem man sich, als Konsequenz fĂŒr die Benennung eines indonesisches Kollektiv als Kuratoren, auch in Form von Diskussionen hĂ€tte einlassen mĂŒssen. Man wollte ja den globalen SĂŒden eine Plattform bieten.

Wer A sagt, muss eben auch B sagen.

Dies gilt dann letztendlich auch fĂŒr das Kuratorenkollektiv, dass sich nach Kassel einladen ließ und sich dann der Debatte um die eigenen postkolonialen Werten, in denen der Holocaust mit anderen globalen Gewaltverbrechen gleichgestellt und so relativiert wird, nicht gestellt und auch nicht gefordert hat. Dadurch fĂŒhrte das Kollektiv seine eigene Agenda hinsichtlich hierarchiefreier Diskurse und SensibilitĂ€t und Respekt gegenĂŒber anderer Kulturen selbst ad absurdum. Ernst kann man sie so leider nicht nehmen.

Richtig wĂ€re es gewesen auch der Gegenmeinung Platz zu geben, anstatt innerhalb der Documenta nur die eigene Ideologie-Blase zu bedienen. Das ist der Kardinalsfehler und zeigt mir mal wieder, dass gerade da, wo die hehrsten Ziele verfolgt werden, sich die grĂ¶ĂŸten AbgrĂŒnde auftun.

“Wenn das Kuratorenkollektiv Ruangrupa Kollektive einlĂ€dt, die wiederum Kollektive einladen, dann entsteht zwar ein rhizomartiges globales Netzwerk aus hierarchiefreien Vielheit, jedoch nĂ€hren sich alle von der selben Essenz (JF 24/22). Denn, das lehrt die Menschenkenntnis: Gleich und gleich gesellt sich gern.” (JF 27/22)

Kollektive Gefahren

Im Kollektiv sehe ich immer die Gefahr des “Sich-Verstecken-in-der-Masse”, des MitlĂ€ufertums und damit des Bösen. Diese Documenta setzt aber auf das Kollektiv, indem es Projekte aus der Dritten-Welt, wie es frĂŒher genannt wurde, Raum gibt. Herausgekommen ist pĂ€dagogisierende Einfalt im einem Sammelsurium, das aus einer Mischung aus Ikea DIY- und Armuts-Romantik Rassismus in Szene setzt, die diesmal gegen die Menschen weißer Hautfarbe gerichtet ist, was in der deutschen staatstragenden Ideologie anscheinend förderungswĂŒrdig war. Nur der Antisemitismus, der sich bildnerisch Ausdruck verlieh, fiel ĂŒbel aus.

Documenta-Pappkamerad

Wer A sagt, muss auch B sagen!

Mir persönlich gefĂ€llt das Ausstelungskonzept nicht, weil es sich “Kunst” nennt, aber politischen Aktivismus meint und damit mit meiner Kunstauffassung nicht ĂŒbereinstimmt. FĂŒr mich ist es ein Etikettenschwindel. Davon abgesehen, kann ich die Documenta fifteen zumindest interessant finden und es bedauern, dass die Chance fĂŒr eine offene Diskussion versĂ€umt worden ist, stattdessen gibt es Empörung ĂŒber antisemitische Tendenzen und interessanterweise eine Duldung der Weißen-Diskriminierung auf der einen Seite und Verweigerung und Schweigen auf der anderen Seite. Das Kuratorenkollektiv will sich anscheinend nicht den Prozessen stellen, die sie selbst in Gang gesetzt haben.

“Die Revolution frisst ihre Kinder”

Etwas schadenfreudig könnte man natĂŒrlich darĂŒber sein, dass einerseits die Documenta in die Hand eines indonesischen Kollektivs gelegt wurde und so der globale SĂŒden” ins Boot geholt” wurde, was ja zu einer Bedeutungsverschiebung fĂŒhren sollte, die den vermeintlich eurozentrischen Blick, der sonst vorherrschend ist, mit ein wenig Wellblech-Romantik kontrapunktieren sollte. Dass dann aber antisemitische Stereotypen gefunden wurden, war der Aufreger, aber natĂŒrlich muss man wissen, dass man, wenn man Menschen aus differenten kulturellen ZusammenhĂ€ngen einlĂ€dt, diese eben nicht unbedingt die hier favorisierte Ideologie vermitteln. In Bezug auf Weißen-Diskriminierung anscheinend ja, aber nicht bezĂŒglich der fragilen deutsch-israelischen Beziehungen. Und da ist man plötzlich echauffiert, hĂ€tte aber wissen mĂŒssen, dass Indonesien das Land mit den höchsten islamischen Bevölkerungsanteilen der Welt ist und dass der Islam nicht gerade fĂŒr seine Judenfreundlichkeit bekannt ist.

Aber da ist man ja blind und generiert unendliche Gelder fĂŒr den Kampf gegen Rechts, ohne ĂŒberhaupt erkennen zu wollen, dass der neu entstehende Antisemitismus in Deutschland wohl auch in den Moscheen propagiert wird.

NatĂŒrlich ist es noch komplizierter, als hier besprochen: Das Bild mit dem schweinegesichtigen Juden, der einen Helm mit der Aufschrift Mossad trĂ€gt, kritisiert nĂ€mlich die UnterstĂŒtzung der Suharto-Diktatur durch Israel und andere westliche LĂ€nder. Bilder mĂŒssen immer auch im eigenen Kontext gelesen werden, nicht nur nach der favorisierten Ideologie in Deutschland.

Den deutschen Chef-Ideologen ist nun anscheinend die eigene Ideologie um die Ohren geflogen. Sie wollten das Gute, haben aber Rassismus, Antisemtismus und Anti-Westliche-Propaganda auf der Documenta Raum gegebenen.

Der Komposthaufen

Durch den Park geht es fĂŒr mich nun erst einmal zum GewĂ€chshaus, wo Holzstapel, wie sie auch im Wald mit forstwirtschaftlicher Begleitung, zu finden sind, zu sehen sind. Dazu gibt es ein wenig Klang, sodass ich mich als Kunst-Interessierte nicht vollstĂ€ndig verĂ€ppelt fĂŒhlen muss. Ich sehe sie vor mir: Das indonesische Kollektiv, wie es lachend die Steuergelder einfĂ€hrt, um dann Belanglosigkeiten in die Gegend zu verstreuen, wĂ€hrend ganze Busladungen von Kunstbeflissenen noch irgendeine Bedeutung im Holzstapel und Lattenrost-Liege erkennen wollen. Den “Komposthaufen” schenke ich mir, obwohl ein Spaziergang durch die Karlsauen auch irgendwie beruhigend wirkt und ein Komposthaufen auch irgendwie sinnbildlich fĂŒr diese Documenta stehen kann. Aus Verrotteten kann schließlich wieder etwas Neues entstehen.

Nicht alles ist schlecht …

Ohne Auto lÀsst sich, all den Bekenntnissen zur Nachhaltigkeit zum Trotz, nicht viel auf der aktuellen Documenta erreichen. Zu dezentral sind die einzelnen Ausstellungsorte arrangiert; ein Shuttle-Bus fÀhrt nicht.

Ich habe zum Schluß aufgegeben und bin zurĂŒck zum Auto gefahren, mit dem ich dann noch zwei weitere Ausstellungsorte angefahren habe.

Voodoo in der Kirche

In der Kunnigundiskirche sind Voodoo-Objekte zu sehen. Mir haben die kraftvollen energiegeladene Artefakte gefallen, jedoch habe ich mich ĂŒber die Offenheit des Bistums Fulda fĂŒr offensichtlich spirituell bespielte Kunstwerke in einem nicht profaniserten Kirchenbau gewundert.

Wenn ich denn eine Christin wĂ€re, hĂ€tte mich eine solche Ausstellung in der eigenen Kirche gestört. Ich mĂŒsste es als Kapitulation des Eigenen vor den Anderen lesen. Eine Kirche kann nur dann ein neutraler Ausstellungsort sein, wenn der dort praktizierte Glaube schon beliebig geworden ist.

GlĂŒcklicherweise bin ich keine Christin und so empfinde ich die spirituellen Objekte aus Elektroschrott, PlastikmĂŒll und Totenköpfen im KirchengebĂ€ude als spannende Inszenierung.

FĂŒr den Besuch dieses Ortes, hat sich fĂŒr mich die Fahrt nach Kassel gelohnt und es wird deutlich, dass sich trotz all der bezĂŒglich der Documenta geĂ€ußerten Kritikpunkte, durchaus sehenswerte Ausstellungen, die von Kollektiven erarbeitet worden sind, in Kassel erleben lassen. Man muss sich eben nur darauf einlassen. DafĂŒr reicht dann ein Tag aber nicht aus.

Wimmelbilder im Hallenbad und ein “Ingwer Shot”

Zum Schluss ging es dann noch zum Hallenbad Ost, wo indonesische Protestkultur anhand von Wimmelbildern und Papp-Aufstellfiguren gezeigt wird. Bevor es nach Hause zurĂŒckgeht, spendiert mir Regina noch einen “Ingwer Shot” bei einen der Foodtrucks, die vor dem Hallenbad stehen. Danach mag ich mich gar nicht mehr aus dem Liegesitz erheben, so lauschig ist das PlĂ€tzchen und so wenig hat der “Shot” anscheinend gewirkt.

Fazit: Es war ein interessanter Tag in Kassel.

2 Gedanken zu “Jetzt war ich auch noch auf der Documenta Fifteen!

  1. Vielen Dank, Wolfgang Ehle, fĂŒr das “Spiegel”-Zitat. Ich selbst stimme damit ĂŒberein, insofern ich einem Abdriften der Kunst in den bloßen politischen Aktivismus kritisch gegenĂŒberstehen, NatĂŒrlich ist es nicht strittig, daß Kunst immer auch im gesellschaftlichen-politischen Kontext stattfindet und diesen eben auch kĂŒnstlerisch reflektieren kann, wenn denn aber die gesamte Documenta unter dieser PrĂ€misse steht, kommt dies einer Abwertung der Kunst hin zum alleinigen Propaganda- und pĂ€dagogischen Erziehungskonzept gleich. Dies erklĂ€rt dann auch die im Zitat bemĂ€ngelte “QualitĂ€t”, die ich, wĂ€hrend meines Besuches, zumindest als Ideengeber fĂŒr pĂ€dagogische Projekte positiv konzeptualisieren konnte :).

    Was man dieser Documenta aber lassen muss: Sie hat Anlass fĂŒr Diskussionen gegeben, Diskussions- und Diskursverweigerung eindringlich vor Augen gefĂŒhrt (und dies nicht nur bei der KĂŒnstlergruppe, sondern auf vielfĂ€ltigen Ebenen). Sie hat in ihren BrĂŒchen eine gewisse Scheinheiligkeit beim Mainstream und deren BĂŒttel entlarvt und so gezeigt, wie “fragil” die aktuell favorisierte Ideologie eigentlich ist. Es fordert schon zu einem höhnischen Lachen auf, wenn man sieht, wie die EntscheidungstrĂ€ger hilflos von den Konsequenzen ihrer eigenen BeschlĂŒsse, die allesamt ideologisch motiviert, stehen. Wer eben den “globalen SĂŒden” hundertprozentigen Raum in Kassel geben möchte, muss sich dann nicht wundern, wenn eben dieser “SĂŒden” Botschaften verkĂŒndet, die hier als strafbar gewertet werden. Hier wird “ungewollt” eine Meta-Ebene erreicht, die entlarvend und damit auch genial ist!

    Wie es jetzt mit der Documenta weitergeht, wird wohl auch davon abhÀngig sein, ob im Nachgang Reflexionen stattfinden oder ob es beim einfachen Freund-Feind-Schema (mit einigen Bauern-Opfern) belassen wird.

  2. „Nur weil Kunst auch Politik ist, ist Politik nicht automatisch Kunst. So lobenswert der Versuch also ist, dem globalen SĂŒden eine BĂŒhne zu bieten, so beklagenswert ist das Versagen, dafĂŒr auch einen Rahmen zu finden, der dies in aller Vielschichtigkeit abbildet. Hinzu kommt die fĂŒr eine derart bedeutende Kunstschau erbĂ€rmliche Ă€sthetische und kreative QualitĂ€t der meisten Werke. Sie entsprechen insgesamt in keiner Weise dem, was dieser Teil der Welt an Kunst zu bieten hat. Aus jeder Perspektive also ein Desaster.“

    Nach einem Leserkommentar im SPIEGEL vom 13.9.

    Hier hat ein Kommentator nach meiner Auffassung das Generalproblem der documenta 15 sehr klar erkannt. Es ist die Verschiebung des Konzeptes der Ausstellung in Richtung politischer Aktivismus. Die hier ausgestellten politischen Aktionen und Werke haben in ihrem regionalen und zeitlichen Kontext ganz sicher ihre Berechtigung. Deshalb verdienen sie durchaus eine globale – aber auch erklĂ€rte und kommentierte – PrĂ€sentation. Aber nicht auf einer documenta.

Ein Blog lebt auch von Ihren Kommentaren!

Entdecke mehr von mamiwata

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen