Das Schillerhaus
Am dritten Tag besuchten wir das Schillerhaus, wo Herr Dr. Paul Kahl einen Vortrag über “Wilhelm Tell und die Weimarer Klassik” hielt.
Das Konzept der Weimar-Jena-Akademie literarische Betrachtungen mit Ortsbegehungen zu verknüpfen, spricht mich ausgesprochen an, schließlich korrespondiert es mit meinem Ansatz des mythologischen Wandern, spart jedoch, das ist wohl dem herrschenden Zeitgeist geschuldet, eine sinnlich-empfindsame Durchdringung aus und kapriziert sich stattdessen ganz auf eine verstandesmäßige Herangehensweise.
Im Schiller-Wohnhaus schrieb der Dichter seinen “Wilhelm Tell” und verbrachte hier auch die letzten drei Jahre seines Lebens. 1847 gelangte das ehemalige Wohnhaus in städtischen Besitz, woraufhin die Räume in Kulträume umfunktioniert wurden. Den Ist-Zustand beschreibt Dr. Kahl wie folgt:
Was man hier sieht ist eine “bildungsbürlich-biedermeierliche Innenrauminszenierung des 19. Jahrhunderts in der Mansarde, erweitert um eine stilgeleitete Innenrauminszenierung der späten DDR im ersten Stockwerk. (Kahl, P.: Der Geschichtsort Schillerhaus in Weimar)
Schon vor Goethe wurde Schiller als eine bürgerliche Identifkationsfigur angesehen, an dessen Person sich eine Verehrung inszenierte. Auf dem Original-Bett des Dichters häuften die Besucher im 19. Jahrhunderts Rosen an und auch A. Hitler soll dies bei seinem Besuch im Schiller-Haus getan haben, was ihn später jedoch nicht davon abhielt, den “Wilhelm Tell” verbieten zu lassen.
Da das Seminar nun beendet war, zog ich, samt Gepäck vom Wielandsgut Oßmannstedt und seiner doch recht einfachen Übernachtungsmöglichkeit, in Form eines Bettgestelles, was auf dem Boden lag, in das Hotel Best Western Premier Hotel Russischer Hof um. Das luxuriöse Zimmer, was mich nun willkommen hieß, war schon eher nach meinem Geschmack und meine Laune stieg bei der Aussicht auf eine entspannte Nacht, die dann allerdings ein wenig durch die Geräusche der Lüftungsanlage (oder was auch immer?) gestört wurden. Vielleicht hätte ich diese aber auch einfach abstellen können.
Im Nachhinein war das Hotel mit seiner verkehrsgünstigen Lage aber eine gute Entscheidung gewesen. Das Frühstück war mir mit 21 Euro allerdings zu teuer, sodass ich davon Abstand nahm.
Anna-Amalia-Bibliothek
Nach einer kleinen Pause machte ich mich auf dem Weg zur Anna-Amalia-Bibliothek und besuchte den beeindruckenden Rokoko-Saal.
Die Bibliothek wurde 1691 von Herzog Wilhelm Ernst gegründet, der so seine Bücher der Öffentlichkeit zugänglich machte. Aufgrund eines Elektronik-Schadens brannte die Bibliothek 2004 aus und wurde 2007 nach umfangreichen Restaurierungen wieder eröffnet.
Da ich wusste, dass am folgenden Montag, den letzten Tag meines Weimar-Aufenthalts, fast alle Museen geschlossen und/oder wegen der Winterpause noch nicht geöffnet waren, fiel meine sonntägliche Besichtungstour etwas hektisch aus und ich besuchte, kurz vor der Schließzeit, noch schnell das Goethehaus.
Das Goethehaus
Im Treppenhaus von Goethes Wohnhaus mit seiner großangelegten italienischen Treppe kam mir die Erinnerung, dass ich hier schon einmal mit meinem Vater gewesen war.
Als Besucher bekommt man auch hier, wie auch in der Anna-Amalia-Bibliothek einen Audio-Führer ausgehändigt, der einen bei der Begehung mit den wichtigsten Informationen versorgt.
Genauso wie beim Schillerhaus ist auch am historischen Goethehaus ein Neubau hinzugefügt worden. Dieses stammt beim Schillerhaus aus der Zeit der DDR, wohingegen das Goethemuseum 1935 erbaut wurde. Dr. Paul Kahl beklagt im o.g. Aufsatz, auf das Schillermuseum bezogen, jedoch gleichermaßen gültig für das Goethehaus:
(…) ist die verbleibende Präsentation im Schillerhaus hinter die längst formulierten Herausforderungen zurückgefallen. Sie steht wieder ganz in der Tradition des unpolitisch-affirmativen Wohnungsmuseums des 19. Jahrhunderts, es fehlt jede methodische Problematisieren des Konstruktionscharakters: Die geschichtsträchtige Innenrauminszenierung erweis sich weniger als ein Zeugnis Schillers – geschweige denn als eines seiner geistigen Welt – denn als ein Zeugnis des Personenkults, und zwar eines des bildungsbürgerlichen des 19. Jahrhunderts und ebenso eines der fortdauernden bildungsbürgerlichen Semantik und ihres Personenkults in der DDR.
Im Widerspruch dazu bin ich fast glücklich über die historischen Innenrauminszenierungen. In Zeiten der einseitigen Propaganda für eine links-liberale Globalisierungsideologie, die immer mehr totalitäre Züge annimmt, erscheint mir ein unpolitisch-affirmatives Wohnzimmermuseum gegenüber einer musealen Erziehungsanstalt eindeutig die bessere Wahl zu sein. Wenn dann Dr. Paul Kahl am Schluss seines Aufsatzes fordert, dass die Dichterhäuser “offen sein sollte(n) für Fragen der Gegenwart” macht mir dies fast Angst, hatte ich doch am Wochenende eindrücklich spüren müssen, dass hier nur die “Offenheit” gemeint ist, die nicht im Widerspruch mit der gegenwärtig überall beworbenen Weltanschauung steht. Ich nenne das dann: Ideologische Scheuklappen-Pädagogik.